Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
schrecklich das Ereignis selbst auch war, es hätte zu keinem günstigeren Zeitpunkt kommen können.
    Mary von Schottland war auf Elizabeth Tudors Geheiß hingerichtet worden. In ihrem Testament hatte sie ihrem katholischen Glaubensbruder Philipp von Spanien ihr umstrittenes Anrecht auf Elizabeths Thron vermacht. Damit stand es Philipp frei, die Rolle als Marys Rächer zu übernehmen und zum Sturm gegen Englands häretische Königin zu blasen.
    Und Guise hatte den perfekten Vorwand für eine Kriegserklärung an Navarra.

38
    Aus dichtem Nebel ragte der Louvre empor. Selbst jetzt, am Mittag, brannten an der Fassade Fackeln und waren doch nicht mehr als Lichtflecken, die den Weg durch den Hof kaum zu beleuchten vermochten. Keine Eskorte stand bereit, um mich nach meiner Abwesenheit in Empfang zu nehmen; einzig Birago schlurfte mit klapperndem Spazierstock auf mich zu.
    Als er mich in den Palast führte, murmelte er: »Ich habe Euren Brief Seiner Majestät persönlich überbracht, und er hat Eurer Bitte entsprochen. Er erwartet Euch im Thronsaal. Ihr müsst wissen, dass er einen neuen Gefährten hat, einen gewissen Valette, Sohn eines Pariser Angehörigen des niederen Adels. Seine Majestät hat ihn zum Kapitän seiner neuen Leibwache ernannt, die er seine ›Fünfundvierzig‹ nennt. Der König hat große Angst vor einem Anschlag.«
    Ich dankte ihm mit einem Nicken. Während wir durch die gespenstisch stillen Korridore schritten, musste ich an die Zeit denken, als man nächtens aus jedem Zimmer Gelächter und erregtes Kichern hören konnte. Ich war damals viel im Palast unterwegs gewesen – das fremdländische Entlein in seinen Prachtkleidern, das sich vor Sehnsucht nach seinem lustlosen Gemahl und vor Hass auf dessen Mätresse verzehrte. Das war eine Zeit gewesen, als die Hugenotten lediglich eine unerfreuliche Ablenkung waren und ein König mit großer Macht- und Geistesfülle den Thron einnahm – eine flüchtige Zeit der Träume.
    In dem von den Fackeln an den Wänden hell erleuchteten Thronsaal hatte sich eine Gruppe von Männern in dunklen Kleidern vor dem Podest aufgebaut. In ihrer Mitte stand Guise, auch er von Kopf bis Fuß in Schwarz. Ich widerstand dem Drang, laut zu lachen, als sie sich tief vor mir verbeugten. Ich erkannte sie alle. Es waren die katholischen Fürsten, die einzuladen ich Henri geheißen hatte. Obwohl in Frankreich Weiß die Trauerfarbe war, hatten sie sich einheitlich in das spanische Schwarz gehüllt, um ihren Zorn über Mary Stuarts Märtyrertod zu bekunden. Mein Sohn hatte meine Instruktionen mit seinem für ihn typischen Hang zum Dramatischen übererfüllt.
    Als ich auf sie zutrat, wichen sie zur Seite.
    Henri lümmelte auf seinem Thron und ließ ein Bein über die Armlehne baumeln. Als Einziger trug er weißen Damast und in einem Ohr eine Perle. Seine Handgelenke zierten Korallenarmbänder. In der Hand hielt er ein Bilboquet — ein Kinderspielzeug, das aus einem gedrechselten Holzstab bestand, an dem über eine Schnur eine Kugel befestigt war. Immer wieder warf er den Ball in die Luft und fing ihn mit einer an der Spitze des Stabs angebrachten Schale auf. Neben ihm stand ein schlanker Jüngling von verblüffender Schönheit mit einem prächtigen dunklen Lockenschopf und saphirblauen Augen. Das musste Henris neuer Gefährte, Valette, sein. Er hatte genau dasselbe Spielzeug. Seine Augen fixierten mich.
    Klipp-klapp.
    Henri lächelte. » Ma mère , willkommen zu Hause. Ich darf vermuten, dass Ihr eine angenehme, um nicht zu sagen ergiebige Reise hattet?« Er warf erneut den Ball hoch.
    Klipp-klapp.
    Meine Augen wanderten zu Guise hinüber. Er starrte mich an wie eine völlig Fremde.
    In einem Ton, als hätte er einen von mir ausgewählten Text geprobt, sagte Henri: »Wie Ihr seht, trauern wir wegen der unrechtmäßigen Ermordung unserer Schwägerin, Mary von Schottland. Es ist genau das geschehen, was man als Katholik erwartet, wenn Häretiker den Thron besteigen: Verfolgung und Apostasie. Gott selbst, habe ich mir sagen lassen, weint bitterlich.« Er erhob sich und kam vom Podest herunter. Mir stieg der Geruch von Veilchen in die Nase. »Kommt und seht selbst, was wir ersonnen haben.« Die Männer bildeten einen engen Kreis um mich, den ich als bedrohlich empfand. Gemeinsam stellten wir uns vor einen Tisch, auf dem eine große Karte von Frankreich ausgebreitet lag. Darin waren verschiedene Gebiete mit Nadeln abgesteckt worden. Auch wenn ich es war, die Henri dazu geraten hatte, bekam

Weitere Kostenlose Bücher