Die florentinische Prinzessin
ich bei der Vorführung meines Schachzugs ein flaues Gefühl. Wenn wir scheiterten, hatten wir eine gewaltige katholische Streitmacht direkt vor unserer Haustür.
»Drei Armeen«, erläuterte Henri. »Eine, unter der Führung meines Valette, wird die deutschen Söldner abfangen, die Navarra zur Verstärkung seines Heeres angeworben hat. Eine andere wird unter dem Kommando meines edlen Herzogs Guise Navarra selbst angreifen. Und die dritte, die ich befehligen werde, soll hier an der Loire Stellung beziehen« – er zeigte mir die Stelle – »und den Weg nach Paris abschneiden.« Lachend warf er wieder den Ball hoch. »Herrlich!«
Klipp-klapp.
»Ist denn von einem … Krieg die Rede?« Ich schützte Entsetzen vor. Von hinten trat Guise an mich heran, so dicht, dass ich seinen Atem heiß im Nacken spürte. Einen lähmenden Moment lang dachte ich, er wittere das Täuschungsmanöver, doch dann knurrte er: »Wie konntet Ihr glauben, Navarra würde ehrenhaft handeln? Für ihn ist lügen so natürlich wie atmen. Ist er nicht schon einmal konvertiert, nur um danach alles zu widerrufen und in die Häresie zurückzufallen?«
Ich richtete die Augen auf Henri. Dieser legte den Kopf eigenartig schief. »Navarra hat Euch also nicht gesagt, dass er den Krieg vorbereitet?«
»Natürlich nicht!«, rief ich. »Ich wollte unsere nachbarlichen Beziehungen erörtern, und er …«
»Und er hat Euch zum Narren gehalten.« Henri kam um den Tisch herum; Valette unterdrückte ein Gähnen und legte mit der trägen Anmut einer Katze den Arm über den Thron.
Ich stand schweigend da, als verstünde ich die Welt nicht mehr.
Henri wandte sich an Guise. »Mein Cousin aus Navarra ist ein schlaues Kerlchen. Er hat um ein Treffen mit meiner Mutter unter vier Augen gebeten, aber ihr verschwiegen, dass er bereits Söldner angeworben hat.« Statt Guises Antwort abzuwarten, drehte er sich gleich wieder zu mir um. »Im Gegensatz zu Euch weiß er, dass es zwischen uns keinen Kompromiss geben kann.«
»Ich schwöre, dass ich nichts davon wusste«, beteuerte ich im Brustton der Überzeugung.
Henri lächelte mich an. Höflich sagte Guise: »Wir verstehen. Eure Hoheit ist nicht mehr die, die sie war. Die Bürden der Staatsgeschäfte haben Euch erschöpft. Jetzt müsst Ihr Euch ausruhen und uns die Verantwortung tragen lassen.«
»Ja«, bestätigte Henri. »Ruht Euch aus, Maman. Ihr habt genug getan.«
Zum Zeichen meiner Entlassung wandte er sich betont abrupt ab. Und gesenkten Hauptes verließ ich zögernd den Thronsaal. Es war geschehen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Zum ersten Mal in meinem langen Leben hatte ich einen Krieg heraufbeschworen. Wenn Navarra sein Versprechen hielt, würde er nicht bei uns einfallen und nicht den Thron meines Sohnes mit Gewalt an sich reißen. Er würde gegen Guise kämpfen und ihn töten, und dann, so Gott wollte, hätten wir endlich Frieden.
Von meinen Gemächern aus verfolgte ich, wie sich die Männer draußen im Hof abmühten und emsig den Klingen ihrer Schwerter einen tödlichen Schliff verliehen oder die Karren mit Munition beluden. Der Krieg, der böse Drache, nahm unter meinen Augen Gestalt an, und obwohl mir bewusst war, dass die Befehlshaber ihn in meinem Sinne führen würden, schnürte sich mir vor Angst die Kehle zu.
Als uns gemeldet wurde, dass Navarras Truppen beim Marsch auf Paris gesichtet worden waren, kam Henri am Abend zu mir. Wir hatten bewusst Abstand zueinander gewahrt, und auch jetzt umarmte er mich erst, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Seine Muskeln waren vom vielen Üben im Freien gestählt, und er sah wieder ganz so aus wie früher.
»Ich breche morgen auf«, eröffnete er mir. »Glaubt Ihr wirklich, dass Navarra seinen Teil der Vereinbarung einhalten wird?«
Ich nickte. »O ja. Vergiss nur eines nicht: Du darfst dich auf keinen Fall ins Getümmel stürzen. Was auch geschieht, dein Leben darf nicht gefährdet sein. Lass Navarra seine kleinen Triumphe genießen.« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, und während ich ihn auf die Lippen küsste, fuhr ich ihm durch das lange Haar und atmete noch einmal seinen Geruch ein.
Nie war ich so stolz auf ihn gewesen wie in diesem Moment.
Nach dem Abmarsch der Armee wurde in Paris eine Ausgangssperre verhängt, und mir blieb nichts anderes übrig, als auf Nachrichten von der Front zu warten. In diesen Tagen brach mein treuer Birago, der ohnehin schon seit Jahren von der Gicht geplagt wurde, in meiner Gegenwart zusammen und musste
Weitere Kostenlose Bücher