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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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zu Bett gebracht werden.
    Ich rief sofort nach Paré.
    Hinsichtlich seiner Gesundheit war es unserem betagten Arzt auch nicht besser ergangen als uns anderen. Paré, der selbst unter einem gelähmten Bein und nachlassender Sehkraft litt, schlug Biragos mit Pelz besetzte Decke zurück, drückte sein Ohr auf die hohle Brust meines Freundes und lauschte. Mit einem betrübten Kopfschütteln richtete er sich wieder auf.
    »Sprecht ein Gebet für mich, Doktor«, meinte Birago mit einem matten Schmunzeln. »Ich habe in all den Jahren anders als die meisten das große Glück gehabt, Euren Tränken und Blutegeln entgehen zu können.« Er drehte den Kopf zu mir. »Ihr braucht nicht zu bleiben, Madama. Frankreich benötigt Euch dringender als ich.«
    »Unsinn.« Energisch kämpfte ich heiße Tränen zurück. »Ihr habt Frankreich immer treu gedient; jetzt lasst Frankreich einmal warten.«
    In den kommenden Tagen wich ich nicht von seiner Seite. In unseren Gesprächen vermieden wir es, die Gegenwart oder die Zukunft zu erwähnen, und fanden Trost in unseren gemeinsamen Erinnerungen an die Vergangenheit, an unsere Reise über das stürmische Meer nach Frankreich, an meine Hochzeit und an die Jahre, in denen wir zusammen das Königreich gestärkt, Spione überwacht und meine Söhne unterrichtet hatten. Von all den Männern in meinem Leben war Birago am längsten bei mir geblieben. Ohne ihn konnte ich mir meine Welt einfach nicht vorstellen. Doch im Laufe der Tage musste ich zusehen, wie das Leben in ihm verebbte. Die Gicht hatte seine Beine in einen Morast aus entzündetem Fleisch verwandelt; zunehmend litt er unter hohem Fieber und Atembeschwerden, sodass Lucrezia und ich abwechselnd in einem Rollbett in seinen Gemächern schliefen, um bei einer Krise sofort bei ihm sein zu können.
    An dem Tag, als er mich verließ, ging sein Atem flach und rasselte in seiner Brust. Seine verkümmerten Finger umklammerten die meinen. Für einen kurzen Augenblick besiegte sein schwaches Lächeln die Schmerzen.
    »Madama, ich werde Euch vermissen.«
    Er starb, wie er gelebt hatte. Ohne zu klagen. Ich hielt seine Hand, als er kalt wurde, und beobachtete, wie die unerschütterliche Entschlossenheit nach und nach aus seinem Gesicht wich, bis er friedlich und beinahe wieder jugendlich wirkte.
    Ich neigte den Kopf. »Lauft nicht zu weit voraus, mein Freund«, flüsterte ich. »Wartet auf mich.«

    Ich trauerte tief um Birago. Mehr als je zuvor fühlte ich mich allein, und jeden Tag wachte ich halb in der Erwartung auf, gleich würde er mit seinen Mappen hereingehumpelt kommen. Er war mein Verbündeter gewesen, mein Berater – und jetzt war er weg. Jeder Sinn schien aus meinem Leben verschwunden zu sein. Ich fühlte mich verloren, des einen Menschen beraubt, der mich besser gekannt hatte als ich mich selbst.
    Mitten in meine Trauer hinein erreichte mich die Nachricht, dass Guise mit Navarra auf einem Feld in der Nähe der Loire zusammengeprallt war. Den Psalm Davids singend, war die hugenottische Armee hinter ihrem mit seinem weiß gefiederten Barett geschmückten König in die Schlacht gezogen. Binnen weniger als vier Stunden lagen zahllose Tote über das blutgetränkte Gras verstreut. Kuriere meldeten mir fortwährend den neuesten Stand, aber stets waren die Nachrichten verstümmelt und wirr. Niemand vermochte mir zu sagen, ob Guise oder Navarra verwundet oder getötet worden war. Ich betete auf den Knien zu Gott. Bei Anbruch der Nacht wurde mir eine Geheimbotschaft von Navarra überbracht. Mit zitternden Händen brach ich das Siegel.
    Der Brief war kurz und deprimierend.
    Ich bin gescheitert. Guise ist mir entkommen und hat den Sieg ausgerufen. Ich werde tun, was ich versprochen habe, und mich zurückziehen. Ich kann das Leben meiner mir verbliebenen Männer nicht aufs Spiel setzen, noch möchte ich Euch gefährden.
    Gott stehe Euch bei.
    Eine Unterschrift fehlte, eine Vorsichtsmaßnahme, die wir vereinbart hatten, falls der Brief in die falschen Hände geriet. Das Papier glitt mir aus der Hand. Ich stand wie erstarrt da, wollte weinen, schreien, das Schicksal verfluchen. Schon steigerte ich mich in die schlimmsten Vorstellungen hinein und sah mich und Henri in Guises Abhängigkeit, Geiseln in seinem großen Plan, ganz Frankreich in eine katholische Hochburg zu verwandeln. Die Spanier würden uns überrennen, die Hugenotten würden vernichtet werden, die Herrschaft meines Sohnes würde nicht zu einem Triumph führen, sondern in Schimpf und Schande

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