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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Blut verursachten mir Übelkeit; ich konnte nicht begreifen, wie ansonsten so kultivierte Leute an solch einem barbarischen Gemetzel Gefallen fanden. Lieber hätte ich mit dem König in ehrlicher Hetzjagd dem Wildschwein oder dem Hirsch nachgesetzt, aber Frauen durften nicht daran teilnehmen, obwohl ich in meinem Sattel so schnell und ausdauernd reiten konnte wie jeder Mann. Ohne auf die Blasen an meinen Händen und Hinterbacken zu achten (denn diese Jagden dauerten Stunden um Stunden), verbrachte ich die Zeit damit, meine Reitkünste zu vervollkommnen, während die Frauen ihren Blutdurst stillten, bis ich eines Morgens meiner Stute die Sporen gab und hinter dem König dreingaloppierte.
    Belohnt wurde ich von seiner Verblüffung und den scheelen Blicken seiner Männer, als ich an seiner Seite auftauchte. »Lasst mich heute mit Euch reiten«, sagte ich, und er sah mich forschend an, ehe er nickte. »Besser, Ihr wisst diesen Bogen auch zu führen«, sagte er knapp und trieb seinen Hengst an, inmitten des Gebells, als die Hunde Witterung aufnahmen. Ich folgte, im glücklichen Genuss des vorbeirauschenden Waldes, und lachte laut auf, als ein tief hängender Zweig mir die Reitkappe vom Kopf fegte. Über den starken Hals meiner Stute gebeugt, gab ich mein Äußerstes, um mitzuhalten. Und dann, am Rand einer Lichtung, sah ich die Hunde eine junge Ricke einkreisen: die Ohren flach an den exquisiten Kopf gelegt, die ausdrucksvollen Augen weit aufgerissen vor Panik, schlug sie mit den Hinterhufen nach der wildwütigen Meute aus.
    François winkte mich zu sich. Seine Männer umringten ihn, rissen die Köpfe ihrer Rösser am Zaumzeug herum, dass ihnen die Schaumf locken nur so von den Mäulern flogen, und beobachteten mich voller Verachtung. »Sie ist Euer«, sagte der König. »Lasst ihr Ehre angedeihen.«
    Ich begegnete seinem Blick. Ich wollte das tapfere Tier nicht töten, das da um sein Leben kämpfte; es widerstrebte mir von ganzem Herzen, noch während ich meinen Bogen nahm und den Pfeil einlegte. Ich wartete, bis die Ricke sich auf die Hinterbeine stellte, um einem vorstürmenden Hund auszuweichen. Ich schloss die Augen und ließ den Pfeil schwirren. In der plötzlichen Stille, die folgte, hörte ich schroffe Stimmen den Hunden Einhalt gebieten; als ich die Augen wieder öffnete, sah ich die Ricke tot am Boden liegen, den Pfeil in der Brust.
    Ich drehte mich zu François um, der mir mit einer Geste bedeutete, abzusteigen. Er schnitt der Ricke das rechte Ohr ab, trat auf mich zu und strich mir mit der blutigen, noch warmen Kante über die Wange. Er reichte mir das Ohr. »Obgleich Ihr Mitleid mit ihr hattet«, sagte er, »habt Ihr nicht gezögert. So geht es im Leben, ma petite. Manchmal müssen wir zuerst zuschlagen, bevor es uns trifft.«
    Lachend wandte er sich an seine Männer. »Meine Schwiegertochter hat mich heute stolz gemacht! Sie jagt so gut wie jeder Mann und wohl besser als viele von euch.«
    Während die Männer mit halbherzigem Enthusiasmus in sein Lachen einfielen, strahlte ich. An jenem Tag ritt ich an der Seite des Königs zum Schloss zurück, mit dem Blut der Ricke im Gesicht und ihrem Ohr in meiner Gürteltasche. Der versammelte Hof wartete schon; mit Genugtuung sah ich das ungläubige Staunen in den Mienen der Hofdamen, als sie mich mit getrocknetem Blut auf der Wange neben François reiten sahen. Jetzt hatten sie tatsächlich etwas zu klatschen, obwohl ich nicht so naiv war zu glauben, ich könnte mich in Sicherheit wiegen. Auch wenn ich mit dem König jagen durfte, war ich noch immer eine unfruchtbare Ehefrau; und nach dem dau phin war Henri der Nächste in der Thronfolge.
    Ich musste Söhne gebären, um den Fortbestand der Valois-Dynastie zu sichern. Wenn ich versagte, konnte ich – wie die Ricke, der ich heute das Leben genommen hatte – sehr schnell zur Strecke gebracht werden.
    Folglich legte ich es darauf an, mich so oft wie möglich sehen zu lassen, in der Hoffnung, dass man Henri zutrüge, seine Frau, die Herzogin, werde langsam zum Mittelpunkt des Hofes. Immer wieder lockte ich Marguerite in die Galerien, Gänge und Gärten, wo wir unsere Hofdamen in all ihrer dekorativen Vielfalt um uns versammelten.
    Nach weiteren Wochen ohne ein Zeichen von ihm kam ich mir wie ein Dummkopf vor, so edel gewandet und darum nur umso verzweifelter. Lieber hätte ich tausend Ricken umgebracht, als diese Damen zu ertragen, die mich mit raubtierhaftem Lächeln grüßten, und diese Herren mit ihren übertriebenen

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