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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Louvre. Und schickt einen Boten zu meinem Sohn, dem König, um ihm zu melden, dass ich unterwegs bin. Ich wäre eine schlechte Mutter, wenn ich ihm in dieser schweren Zeit keinen Trost spendete.«
    So brach ich meine Trauerzeit ab und verließ das Hôtel de Cluny auf Nimmerwiedersehen.

    Die Welt hatte sich verändert. Das Tournelles war über Nacht zu einem verlassenen Spukschloss geworden, während der Louvre im Schein der Fackeln erstrahlte, die all die plötzlich wieder lachenden Höflinge in goldenes Licht tauchten. Offenbar war gerade ein Fest im Gange.
    Lucrezia und ich schlängelten uns durch die Menge. Wenige bemerkten mich in meinem Umhang, und Musik gellte mir in den Ohren, als ich in den zweiten Stock hinaufstieg, wo sich meine Gemächer befanden und mein Hofstaat mich erwartete. Anna-Maria kam auf mich zugestürzt, um mich zu umarmen; Birago nahm sanft meinen Arm und führte mich an den Tisch. Obgleich er magerer als üblich wirkte in seiner scharlachroten Florentiner Robe und tiefe Sorgenfalten seine kantige Stirn zerfurchten, war seine Anwesenheit mir eine tröstliche Erinnerung, dass ich noch Freunde hatte.
    Beim Nachtmahl berichtete er, dass Monseigneur le Cardinal und sein Bruder, le Balafré, die Kontrolle über die Regierung übernommen hatten, über den Kronrat ebenso wie über die Schatzkammer und das Militär, und dies auch offiziell verkünden ließen. Sie hatten sich faktisch zu Regenten gemacht, auch wenn sie nicht den Titel trugen, und die Königsrechte meines Sohnes usurpiert.
    »Aber François ist fünfzehn Jahre alt«, protestierte ich. »Er ist alt genug, den Thron zu besteigen. Wie konnten sie ihm das antun?«
    »Er hat sie nicht aufgehalten«, entgegnete Birago. »Er hat ein Papier unterschrieben, das die Guises mit der Verwaltung der Staatsgeschäfte betraut, aber ich glaube nicht, dass er verstanden hat, was er da unterschrieb.« Er schlug die Augen nieder. »Le Balafré hat ihn und Mary Stuart auf einen Jagdausflug an die Loire mitgenommen, angeblich, weil sie Erholung vom Hof bräuchten.«
    Ich saß wie erstarrt da und umklammerte meinen Becher. Am liebsten hätte ich ihn quer durch den Raum geschleudert. Ich hätte nie in Klausur gehen dürfen; damit hatte ich den Guises die Gelegenheit gegeben, das Zepter an sich zu reißen. François war ängstlich und leicht zu beeindrucken; natürlich hatte er ein Papier unterschrieben, das ihnen das ganze Reich überließ. Er verstand nichts vom Regieren, und die Guises waren zur Stelle, um dafür zu sorgen, dass er es gar nicht erst lernen musste.
    »Eins noch«, sagte Birago auf Italienisch, wie er es immer tat, wenn er etwas Vertrauliches mitzuteilen hatte. Ich liebte es, unsere Sprache in seinem kultivierten Tonfall zu hören, obwohl die Nachrichten gar nicht gut waren. »Monseigneur hat ein Edikt gegen die Hugenotten erlassen. Der Konnetabel meinte zwar, Franzosen auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen sei schädlich für das Renommee des Königs, aber der Kardinal wollte nicht auf ihn hören und verbannte ihn vom Hof. Sein Neffe Coligny ist ebenfalls gegangen, ließ mich Euch aber ausrichten, er hoffe, Ihr würdet ihn empfangen, wenn Ihr zurückkehrt.«
    Es tat mir leid, dass Montmorency fort war; ich konnte jeden brauchen, der sich den Guises entgegenstellte. Und ich fand es bemerkenswert, dass Coligny meine Rückkehr vorausgesehen hatte. Nach all den Jahren erinnerte er sich anscheinend noch an mich. Ob er sich wohl je unseres Nachmittags in Fontainebleau entsann und unseres Gesprächs über Machiavelli und die Hugenotten? Er hatte sich als jemand erwiesen, der die Welt ohne Größenwahn wahrnahm. Vielleicht konnte er der Verbündete werden, den ich brauchte, um die Guises zu entmachten.
    »Ich würde ihn gerne treffen«, sagte ich schließlich. »Wisst Ihr, wie man ihn erreichen kann?«
    »Man kann Briefe austauschen, doch ich muss Euch warnen, es heißt, Coligny halte zu den Hugenotten, besuche ihre Predigtstunden und lese ihre Traktate. Manche behaupten sogar, er habe sich zu ihrem Glauben bekehrt.«
    »Nun ja, Gerüchte sind keine Tatsachen.« Ich schenkte mir Wein nach. Seltsamerweise war mir nicht bange, obwohl ich meine schlimmste Befürchtung bestätigt sah: Mit den Guises musste es unvermeidlich zu einem Kampf um die Kontrolle über François kommen. Doch ich hatte auch früher schon gekämpft, viele Jahre lang, gegen Diane. Und ebenso wie sie hatten die Guises keine Vorstellung davon, wie weit ich zu gehen bereit war, um

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