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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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ich mich da fragen, ob ich anziehend für einen Mann war, den ich erst wenige Male getroffen hatte?
    »Madame, ich bin es, der Euch Dank schuldet«, sagte er. »Ich fürchtete, Ihr würdet mich nicht sehen wollen.«
    »Wir sind doch Freunde, oder?«, fragte ich. »Ich weiß, es ist viel Zeit vergangen, aber ich habe Eure Freundlichkeit zu mir, als ich neu in diesem Reich war, nicht vergessen, noch die treuen Dienste, die Ihr meinem Gemahl über die Jahre geleistet habt.«
    Er lächelte. »Wir waren damals sehr viel jünger.«
    In seinem Tonfall schwang fast so etwas wie ein Vorwurf mit. Aber warum? War er nicht in Paris geblieben, um mich zu sehen? »Ich glaube, Ihr wart es, Seigneur, nicht ich, der Abstand halten wollte«, erinnerte ich ihn. »Ich hätte Euch jederzeit bei Hof empfangen.«
    Er neigte den Kopf. »Wohl wahr. Hoheit wissen, dass ich nie gern bei Hof war.«
    Ich musterte ihn. »Nun, immerhin seid Ihr jetzt hier.«
    Er hatte sich auf undefinierbare Weise verändert. Er schien auf der Hut, als hätte er gelernt, dass man seine Gefühle am besten verborgen hielt. Doch er war immer noch anziehend, mehr als früher sogar, nun, da das Gravitätische seines Wesens seinem Alter angemessener war und ihm eine beeindruckende Präsenz verlieh.
    Doch meine Gabe regte sich nicht. Ich spürte überhaupt nichts von ihm.
    Zweifel befielen mich. Was tat ich hier? Wozu das heimliche Treffen? Wenn die Guises davon Wind bekamen, riskierte ich, auch noch den letzten Rest an Einfluss zu verlieren; man würde mich des verräterischen Umgangs mit einem Häretiker verdächtigen.
    Als könnte er meine Gedanken lesen, sagte er: »Falls Ihr diese Verabredung aus irgendeinem Grunde bedauert, werde ich mich augenblicklich entfernen, ohne jeden Ehrverlust.«
    »Ich mache mir Sorgen um Euch«, entgegnete ich, ein wenig pikiert, dass er mich so leicht durchschaut hatte. »Wie ich höre, soll Monseigneur le Cardinal seine Spione auf Euch angesetzt haben.«
    »Das stimmt. Seit mein Onkel den Hof verließ, richtet Monseigneur sein Misstrauen auf mich. Heute Abend habe ich seine Leute abgehängt, wie sie ihm sicher gerade berichten, doch sie beobachten mich ohne Unterlass.«
    »Und haben sie …?« Ich holte tief Luft. »Haben sie Grund, Euch zu verdächtigen?«
    »Ich mache kein Geheimnis aus meinem Missverhältnis zu den Guises«, sagte er geradeheraus, mit klarem, offenem Blick. Ich hatte vergessen, wie oft die Höflinge einem nicht in die Augen sehen können, und fand seine Ehrlichkeit erfrischend. »Sie werden Euren Sohn zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen. Im Augenblick setzen sie alles daran, die Inquisition in Frankreich einzuführen, obwohl die Verfolgung Unschuldiger den Ruf unseres Souveräns ruinieren wird.«
    Das waren genau die Worte, die ich hören wollte; ich wollte ihm vertrauen, und doch zögerte ich noch. Ich fürchtete mich davor, die Kernfrage anzusprechen.
    »Viele Hugenottenpastoren erhoffen sich Hilfe von Euch«, fuhr er fort. »Sie wissen, dass Ihr unserem verstorbenen König zur Toleranz geraten habt, und sie haben mich gebeten, an Euren Sinn für Gerechtigkeit zu appellieren.«
    »Sie wissen …?«, fragte ich überrascht.
    Er lächelte. »Nichts, was am Hof geschieht, bleibt ein Geheimnis. Und die Anhänger des neuen Glaubens werden immer mehr, wenn auch nicht mehr lange, wenn Monseigneur seinen Willen durchsetzt.«
    Er hatte mich überrumpelt. Mir wurde auf einmal bewusst, dass ich noch kaum etwas von diesem Glauben wusste, den der Kardinal so gnadenlos ausmerzen wollte, oder von denen, die ihn praktizierten.
    »Ich bin geschmeichelt von ihrem Vertrauen«, sagte ich, »aber seit mein Gemahl tot ist, habe ich keine Macht mehr. Und ich bin Katholikin. Doch im Gegensatz zu den Guises halte ich die Verfolgung Andersgläubiger nicht für eine Lösung. «
    Er wandte sich ab, sein Profil wie gemeißelt vor der einbrechenden Nacht. »Verfolgung«, sagte er ruhig, »ist Chaos.« Ich hörte die schwelende Glut in seiner Stimme und verstand, warum die Guises ihn beobachten ließen. Er hatte die Verheißung seiner Jugend eingelöst, indem er sich als geborener Führer erwies. Wenn die Gelegenheit sich ergab, konnte er heldenhaft sein – und gefährlich.
    Er wandte sich mir wieder zu. »In ganz Frankreich veranlasst das Edikt des Kardinals die Katholiken zum Plündern und Morden. Wir hängen vielleicht nicht dem römischen Glauben an, aber wir sind immer noch Franzosen. Nur Ihr könnt den König überreden, das Edikt zu

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