Die florentinische Prinzessin
widerrufen, damit wir in Frieden leben und unsere Andacht verrichten können.«
Wir …
Die Frage brannte mir auf den Lippen. Ich musste sie stellen; jetzt gab es keinen Ausweg mehr. »Verteidigt Ihr die Hugenotten, weil Ihr selbst einer seid, Seigneur?«
Er zögerte nicht. »Ich bin vor ein paar Jahren konvertiert. Ich habe es nicht verborgen, andererseits aber auch nicht herausposaunt. « Sein Lächeln wurde breiter, verlieh seiner Miene etwas Verschmitztes. »Ihr müsst wissen, ich habe den frei gewordenen Sitz meines Onkels im Kronrat beantragt und wurde abgewiesen. Monseigneur und le Balafré werden mich nie an ihrem Tisch dulden. Wie es aussieht, habe ich keine andere Wahl, als mich in mein Haus in Châtillon zurückzuziehen, um bei meiner Frau und meinem Sohn zu bleiben.«
Eine Frau. Er hatte eine Frau. Eine Familie …
»Verzeiht mir«, murmelte ich. »Ich wusste nicht, dass Ihr verheiratet seid.«
»Charlotte und ich haben vor zwei Jahren geheiratet. Wir wurden schon als Kinder miteinander verlobt, haben uns aber erst spät zur Ehe entschieden. Wenn man älter wird, weiß man die einfachen Dinge des Lebens mehr zu schätzen. Und die Familie ist das Einfachste und Kostbarste von allen.«
»Ich verstehe«, sagte ich, obwohl es nicht stimmte. So wichtig die Familie auch mir war, für mich war sie nie einfach gewesen, weder als eine Medici, noch als Mutter der Valois.
»Macht sie Euch glücklich?«
»Ja. Ich habe meine Rückkehr zu ihr hinausgeschoben, weil ich Eure Hoheit sehen wollte.«
»Nennt mich Cathérine.« Ich blickte ihm in die Augen. Sie waren so tief und zugleich so undurchdringlich wie vereiste Seen. Er konnte der Verbündete sein, den ich brauchte; er konnte mir helfen, die Guises zu entmachten und das Königreich zurückzugewinnen. Aber jetzt noch nicht. Ich war noch zu schwach und er zu verletzlich.
»Ihr müsst wissen, ich gehe nicht aus eigenem Antrieb fort«, fügte er hinzu. »Doch ich werde nicht für immer fortbleiben.«
»Ich weiß.« Ich schenkte ihm ein Lächeln. »Ich verspreche Euch, ich werde alles tun, was ich nur kann, damit das Edikt widerrufen wird, und dafür sorgen, dass Ihr so bald wie möglich einen Sitz im Kronrat bekommt. Ich glaube, wir können viel miteinander bewirken.«
Er nahm meine Hand und hob sie an die Lippen. Sein Kuss war trocken. »Solltet Ihr mich vorher brauchen, aus welchem Grund auch immer, zögert nicht, es mich wissen zu lassen. Ich werde sofort kommen.«
Ich sah zu, wie er den Weg hinabschritt und zwischen den Bäumen verschwand, verschluckt von der Nacht.
Obwohl die Zusammenkunft sich nicht so entwickelt hatte wie erwartet, schöpfte ich zum ersten Mal seit Henris Tod wieder Hoffnung.
19
Im September kehrten mein Sohn und seine Königin von ihrem Jagdausflug zurück. Ich wartete im Schlosshof, flankiert von Elisabeth und Claude, in dem schwarzen Kleid, das zu meiner Rüstung geworden war.
Ich konnte es kaum erwarten, François wiederzusehen. Wie sehr musste er unter dem Verlust seines Vaters leiden; er war der Älteste, und Henri und Diane hatten sich oft um ihn gekümmert. Wegen Dianes ständiger Wachsamkeit hatte ich nie eine Bindung zu ihm aufbauen können, aber jetzt hatte ich die Gelegenheit dazu. Mit fünfzehn Jahren war er von Rechts wegen erwachsen, in seinem Innersten aber fast noch ein Kind. Er würde mich brauchen, um ihm Kraft zu geben und ihn um die trügerischen Klippen zu lotsen, an denen die Guises ihn würden auflaufen lassen.
Meine Illusionen lösten sich auf der Stelle in Luft auf. Er wurde in einer gepolsterten Sänfte hereingetragen, in Begleitung von le Balafré und unserer neuen Königin, Mary. »Seine Majestät ist krank. Gebt den Weg frei!«, blaffte le Balafré und führte meinen Sohn an uns vorbei, als schleppte er ein Bündel Pelze. Flatterig und nervös trippelte Mary hinterdrein. Ich hielt sie am Ärmel fest. »Was ist los?«, fragte ich, alarmiert von ihrer Blässe.
»Mein armer François«, sagte sie atemlos. »Sein Ohr hat sich entzündet. Er ist mit hohem Fieber zusammengebrochen. « Sie riss sich los. »Ich muss bei ihm sein, Madame!« Und sie ließ mich stehen.
Regentropfen klatschten auf das Kopfsteinpflaster. Elisabeth fasste mich bei der Hand. Claude sah mich verlegen an. Als Gattin des Lothringers wurde von ihr erwartet, dass sie Mary zur Seite stand. »Geh nur«, sagte ich zu ihr, »nimm deine Pflichten wahr. Nachher kommst du dann und berichtest mir, wie es deinem Bruder geht.
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