Die florentinische Prinzessin
zögerte er nicht. »Nein. Ich denke, dass Ihr getan habt, was Ihr konntet, um es zu verhindern.«
»Jawohl. Birago muss Euch auch gesagt haben, dass ich dem Haftbefehl gegen Euch widersprochen habe. Zum Glück wagen sie ihn jetzt nicht mehr zu vollstrecken, nachdem Monseigneur die Ungeheuerlichkeit ihres Tuns eingesehen hat.«
»Zu spät«, murmelte er, und ich stimmte ihm zu.
»Für diese armen Seelen, sicherlich; aber wie ich hoffe, doch nicht für uns. Werdet Ihr nun mit mir speisen?«
Wir setzten uns einander gegenüber. Lucrezia brachte den Gänsebraten, garniert mit Artischockenherzen aus meinen Gärten. Er blickte mich überrascht an. »Ich habe die Samen selbst aus der Toskana mitgebracht«, erklärte ich. »Es gibt keine besseren Artischocken als die aus Florenz.«
»Wirklich … köstlich«, staunte er, nachdem er probiert hatte. »Solches Essen würde ich eher in einem Landhaus erwarten. «
»Dies ist mein Landhaus.« Ich schenkte ihm Wein ein. »Ich hasse die höfischen Mahlzeiten. Das Essen kommt nach dem langen Weg aus der Küche stets kalt auf den Tisch, und es ist so überwürzt und in Sauce ertränkt, dass man nicht weiß, was es ist. Wenn ich nicht bei Hof bin, esse ich, was aus dem Garten kommt. Die Gans wurde hier aufgezogen und geschlachtet; sogar der Wein stammt von meinen Reben.«
Er hob das Glas. »Auf Eure Gesundheit, Hoheit.«
»Cathérine«, entgegnete ich, während wir uns zutranken, »bitte nennt mich Cathérine.«
Wir versanken in Schweigen, während Huhn, mit Fenchel geschmort, aufgetragen wurde. Er aß mit gutem Appetit; es gefiel mir, dass er ungeschliffene Tischmanieren hatte; im Herzen war er noch ein Bauernbub. Es war einer der Gründe, weshalb ich ihn so mochte. Nach Jahren der gezierten Höflinge, tückischen Mätressen, ränkeschmiedenden Prälaten und arroganten Adeligen verkörperte er in meinen Augen alles, was in Frankreich noch ritterlich war.
»Glaubt mir, mein Sohn bedauert das Geschehen in Amboise«, überbrückte ich die Stille. »Er hatte keine Ahnung, was für eine furchtbare Vergeltung die Guises üben würden.«
Er blickte auf. »Stand die Unterschrift Seiner Majestät nicht auf dem Hinrichtungsbefehl?«
Ich schluckte. »Doch. Aber François war krank, und die Guises haben seine Zustimmung erzwungen. Er begriff nicht, was er tat. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie entsetzlich es für ihn war, den Hinrichtungen beizuwohnen.«
»Nicht so entsetzlich wie für die Witwen und Waisen.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, während Lucrezia unsere Teller abräumte. »Hoheit, ich meine, Cathérine … ich fürchte, diese Tat hat großes Misstrauen bei den Hugenotten gesät. Sie halten den König nun für einen ebenso blutrünstigen Tyrannen wie Philipp von Spanien, der die Protestanten in seinen Provinzen zu Tausenden abschlachtet.«
Unverhohlener Zorn schwang in seiner Stimme mit. Sein Vertrauen in mich war zerstört, und als ich mein Glas leerte und mir nachschenkte, merkte ich, dass meine Hände zitterten.
»Mir ist bewusst, wie tief die Reputation meines Sohnes gesunken ist«, gab ich zurück. »Zurzeit ist es mein einziger Trost, dass die Guises ebenso verschrien sind.« Ich legte die Dokumentenmappe auf den Tisch und schob sie zu ihm hinüber. »Hier drin werdet Ihr ein Edikt finden, das ich dem Parlament zur Ratifizierung vorzulegen gedenke: Es gewährt den Hugenotten Gesinnungsfreiheit. Wir können die Guises stürzen und Eure Glaubensbrüder vor Verfolgung bewahren, aber dazu brauche ich Eure Hilfe.«
Sein Schweigen lastete schwer, während er mein Edikt las, das ich tagelang vorbereitet hatte. »Was meint Ihr mit ›Gesinnungsf reiheit‹?«, fragte er dann. »Hier heißt es, die Hugenotten werden in Ruhe gelassen, wenn sie sich an die Gesetze halten. Aber Versammlungen zu religiösen Zwecken sind gesetzlich verboten.«
»Was ich meine, ist, dass die Gesetzeslage sich ändern wird. Durch mein Edikt werden die Hugenotten befähigt, Petitionen an den König zu richten, wenn ihnen Unrecht geschieht, und Gottesdienste in eigens dafür bestimmten Häusern abzuhalten. «
Er nickte. »Ein kluger Schachzug. Dadurch wird das Verfolgungsedikt der Guises null und nichtig.« Er legte das Papier beiseite. »Und Ihr meint, der König wird das unterschreiben?«
»François befindet sich jetzt in meiner Obhut. Er begreift den Ernst der Lage.«
Coligny hob sein Glas. Das Kerzenlicht brach sich in dem facettierten Kristall und warf goldene Reflexe auf
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