Die florentinische Prinzessin
erraten, sagte Coligny: »Hab keine Angst.« Er band mir die Ärmel auf, löste mir das Mieder, streifte mir die Röcke ab, bis meine Kleider sich wie Schaum um meine Füße bauschten und ich im Hemd dastand, zitternd, aber nicht vor Kälte.
In einem Impuls, der aus Jahren der Ehe stammte, drehte ich mich um und stieg ins Bett. Ich hörte Kleidung zu Boden gleiten, das Klirren einer Gürtelschnalle. Als ich mich umsah, stand er nackt da, eine straffe, blasse Silhouette.
Ich starrte ihn an. Er war schön, aber sein Körper war ganz anders als der Henris, nicht die breite, behaarte Brust, die mir vertraut gewesen war. Er war ein kleiner, drahtiger Mann, nur Muskeln und Sehnen, und die Selbstgewissheit, mit der er dastand, ein schmerzliches Lächeln im Gesicht, ließ mir die Knie weich werden. Bronzefarben schimmerte das Haar, aus dem sich seine Männlichkeit erhob; seine Rippen zeichneten sich bei jedem Atemzug unter der Haut ab. Er streckte die Arme aus, löste das goldene Netz in meinem Nacken, und mein Haar fiel mir über die Schultern.
»Wie ein dunkles Meer«,wisperte er und verschmolz seinen Leib mit dem meinen, bog mich aufs Bett zurück und schob mir das Hemd über den Kopf. Jeder Zweifel verflog, als ich seine Berührung spürte, die sich wie durch Magie in exquisite, fast quälende Lust verwandelte. Als ich zu beben begann und er in mich eindrang, schrie ich auf, wie ich es noch niemals getan hatte: ein spontaner, ungehemmter Freudenschrei, der meine Seele befreite.
Ich erwachte, ehe der Morgen dämmerte. Er stand am Fenster, fertig angekleidet. Er wandte sich um, als der Himmel hinter ihm heller wurde. »Ich muss gehen«, sagte er und setzte sich neben mich, strich mir zärtlich das wirre Haar aus dem Gesicht. Mit Wehmut sah er mir in die Augen, und ich murmelte: »Keine Reue, keine Entschuldigungen.«
Seine Miene war sanft, aber ernst, wieder die des reservierten Höflings.
»Wir dürfen niemals davon sprechen«, sagte ich und berührte seine Wange. »Sie würden es nicht verstehen. Wir haben so viel, für das wir kämpfen müssen, und sie … sie würden sagen, ich suche Frieden mit den Hugenotten zu stiften, weil ich mit Euch im Bett war.« Zum ersten Mal seit unserer gemeinsamen Nacht wurde mir kalt, und ich fürchtete plötzlich, ich könnte etwas preisgegeben haben, um das es mir noch leidtun würde.
»Ich werde es keiner Menschenseele sagen«, antwortete er. »Vergiss nicht, dass Gott etwas mit dir vorhat. Ohne dich wird dieses Reich auseinanderbrechen. Du kannst Frankreich retten, aber du darfst sie nie unterschätzen. Auch wenn du glaubst, du hältst sie in Schach, sind es doch Tiger, und Tiger wissen, wann sie angreifen müssen.«
Er küsste mich. »Ich werde Nachricht schicken, sobald ich kann. Bis dahin geh lieber kein Risiko ein, nicht mal für mich.«
Ich umfing sein Gesicht, prägte es mir ins Gedächtnis ein. »Geh mit Gott, Gaspard«, wisperte ich.
Er warf seinen Umhang über und ging.
Als ich die Hände vors Gesicht schlug, haftete sein Geruch wie Regen an meinen Fingern.
21
Wir verließen Chenonceau im Spätherbst, als die Kastanien die Farbe wechselten und wilde Schwäne in Scharen auf dem Cher einfielen, um sich für den Zug gen Süden zu stärken. Ich hatte Zeit gehabt, mein Geheimnis zu genießen, es mir Nacht für Nacht in Erinnerung zu rufen; ich war mit Mary ausgeritten und hatte mich um François’ Gesundheit gekümmert; ich hatte mich mit Charles, Henri, Margot und Hercule beschäftigt, ihren Unterricht und ihr Wohlbefinden überwacht.
Mit zehn Jahren ähnelte Charles auf verblüffende Weise seinem Vater. Er war groß gewachsen wie Henri, mit den schweren Lidern und der Adlernase der Valois’, und er begeisterte sich für die gleichen Aktivitäten: Reiten, Jagen, Fechten, Falknerei. Ich hatte ihm einen maßgerechten Bogen zum Üben anfertigen lassen. Die siebenjährige Margot war eine kecke, knospende Schönheit mit ihrer rotblonden Mähne, ihren Katzenaugen, denen nichts zu entgehen schien. Aber sie war träge, putzte sich am liebsten vor dem Spiegel, und ich verordnete ihr eine strikte Diät, weil sie, wie ich, schnell zunahm. Der neunjährige Henri dagegen war schmal wie eine Klinge, mit meinem olivenfarbenen Teint und dunklen, ahnungsvollen Augen. Henri schien als Einziger die Veränderung in mir zu spüren.
Ich genoss jeden Moment, den ich allein mit meinen Kindern verbringen durfte, doch die Idylle konnte nicht andauern. Als die Guises Nachricht schickten,
Weitere Kostenlose Bücher