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Die florentinische Prinzessin

Die florentinische Prinzessin

Titel: Die florentinische Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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tun«, erklärte ich. »Und dass mir Gefahren drohen könnten, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Aber der Sicherheit halber werde ich inkognito reisen. Wir können ja sagen, dass ich meine Tochter Claude in Lothringen besuche. Schließlich erwartet sie ihr erstes Kind, und da ist es doch nur richtig, dass ich sie sehen möchte.«
    »Madama, bitte denkt noch einmal über Euer Vorhaben nach«, beschwor er mich, doch keines seiner Argumente konnte mich davon abbringen. Ich war fest entschlossen, dem Hof mit seinen ewigen Kämpfen und Intrigen zu entkommen. Ich wollte wieder eine Frau sein, frei von den Verstrickungen der Macht.
    Birago murrte, stellte mir aber schließlich eine Leibgarde an die Seite. Und so verließ ich, in einen Kapuzenumhang gehüllt und meine Habseligkeiten hinter dem Sattel in einem Sack verstaut, in der Dämmerung eines eisigen Frühlingsmorgens den Louvre.
    Da die Tage meiner Jagdausflüge schon längst Vergangenheit waren, saß ich auf einer sehr trittsicheren Stute. Als wir in leichtem Galopp die Tore von Paris hinter uns ließen und über eine zum Teil noch aus der Zeit der Römer stammende Pflasterstraße ritten, konnte ich gar nicht genug bekommen von allem um mich herum: von der Luft, die Schnee verhieß, dem Land, das sich, so weit das Auge reichte, in alle Richtungen erstreckte, und von dem blauen Himmelsgewölbe darüber, eine einzigartige Mischung, die es nur in Frankreich gibt. Ich hatte so lange in engen Gemächern gehockt, dass ich die einfache Freude, im Freien zu sein, ganz vergessen hatte. Doch in dem Maße, in dem wir vorankamen und in vorab reservierten Gasthäusern rasteten, bemerkte ich auch die Spuren der Verwüstung, die der Religionskrieg angerichtet hatte. In einem Ort sah ich eine verkohlte katholische Kirche, deren Reliquien und Glocken zertrümmert herumlagen; in einem anderen einen zerstörten Hugenottentempel, der sich leicht anhand des mit Perlen besetzten, geschwungenen Kreuzes und der Taubenfigur an seinem Fuß erkennen ließ und über dessen zersplittertes Portal in blutroter Farbe das Wort KETZER geschmiert worden war. Und überall hing wie ein Echo der Gemetzel der Geruch von Blut und Rauch in der Luft.
    Auch herrschte Hungersnot, insbesondere außerhalb der Städte, wo die Bauern schutzlos in Abgeschiedenheit lebten und darauf angewiesen waren, vom Regen durchweichte Felder zu plündern; wo ausgemergelte Nutztiere bis zum Sprunggelenk im Schlamm standen; wo zerlumpte hohlwangige Kinder mit entzündeten Wunden an den Beinen die Abfallhaufen nach Essbarem durchwühlten. Das waren Bilder, die mich nur zu deutlich an die Belagerung von Florenz und die sinnlose Zerstörung des Krieges erinnerten. Cosimos verstörende Worte fielen mir wieder ein, und jetzt bedauerte ich, dass ich vor meiner Abreise nicht nach ihm geschickt und die bei ihm in Auftrag gegebene Sternenkarte verlangt hatte.
    Als wir bei strömendem Regen die Mauer von Vassy erreichten, war ich zutiefst betrübt und zugleich fester denn je entschlossen, dafür zu sorgen, dass Gewalttaten wie die der Guises während der Herrschaft meines Sohnes François nie wieder verübt wurden.
    Diese Nacht verbrachte ich in einer Unterkunft, die Biragos Ring von Spionen beschlagnahmt hatte. Dort bekam ich ein großes Zimmer zugewiesen, das eigens für mich hergerichtet und gesäubert worden war. Ich saß in einem gepolsterten Stuhl vor einem in Stein gefassten Kamin, als Coligny eintraf.
    Tropfnass stand er auf der Schwelle. Als er die Kapuze seines dunklen Umhangs zurückschlug und seine leuchtenden Augen zum Vorschein kamen, brach ich in Lachen aus. »Du hast wohl nicht geglaubt, dass ich komme!«
    »Nein, das habe ich gewusst .« Er trat auf mich zu und hüllte mich in den Geruch nach nasser Wolle. Schon im nächsten Augenblick presste er seinen Mund mit einer Gier auf den meinen, die meine Müdigkeit verglühen ließ. Wortlos entkleidete er mich, führte mich zum Bett und liebte mich mit einer Inbrunst, die uns beide zum Keuchen brachte, während wir miteinander verschmolzen wie die Brandungswellen einer stürmischen See.
    Danach holte ich aus meinem Sack die Reste meiner Vorräte an Käse, Feigen und Brot und kehrte damit ins Bett zurück, wo wir sie verzehrten und uns dabei unentwegt berührten. Ich fuhr mit den Fingern durch seinen Bart, der dichter und struppiger war, und staunte darüber, wie stachelig er sich anfühlte. Als er sich mit hinter dem Kopf verschränkten Händen zurück aufs Kissen sinken

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