Die florentinische Prinzessin
ließ, fragte ich ihn schließlich: »Was hat dich eigentlich hierhergeführt? Was ist so wichtig, dass du nicht an den Hof kommen konntest, um es mir dort zu sagen?«
Er streckte die Hand nach mir aus. »Komm.« Und als ich mich in seine Armbeuge kuschelte und seinen Moschusgeruch einsog, flüsterte er: »Ich wollte, dass du siehst, welches Wunder du bewirkt hast.« Ich hörte die Leidenschaft in seiner Stimme und konnte die Freude, die er verströmte, fast körperlich spüren.
»Was denn?« Ich knuffte ihn in die Rippen. »Sag’s mir.«
»Nein.« Wieder schlang er seine sehnigen Schenkel um mich. »Wart’s ab. Morgen wirst du es sehen.«
»Ich will es aber jetzt wissen«, begann ich, doch dann presste er seine Lippen auf die meinen, und ich vergaß meinen Protest, ja, vergaß alles und fühlte nur noch, wie er sich in mir bewegte.
Am nächsten Morgen ritt er mit mir und einem Leibwächter zu einem Wald außerhalb von Vassy und führte mich zu einer Lichtung, in deren Mitte ein Stall stand. Als wir uns näherten, hörten wir von drinnen ein Singen. Kirchenlieder. Ich blickte Coligny an. »Das ist ja … ein Gottesdienst.«
Er nickte und führte mich in den modrigen Innenraum, wo ich mich verblüfft bei einer Gemeinde von Männern, Frauen und Kindern wiederfand, die in mehreren Reihen dastanden und mit erhobenem Haupt sangen. Bisher hatte ich Psalmen nur auf Lateinisch gehört und den Prunk unserer Kirchen gesehen. Verzaubert von der Schlichtheit dieser Versammlung, hörte ich zu. Die Luft war durchdrungen von den Ausdünstungen der Stalltiere und dem Geruch von Stroh; auf den Dachsparren über uns hockten Tauben; und mittendrin stand die Gemeinde, die auf Französisch Lieder sang, die so ausgelassen, so voller Leben und so anders waren als die feierlichen, abweisenden lateinischen Gesänge, mit denen ich aufgewachsen war.
Coligny lächelte. »Das ist ein Hugenottentempel. Wir beten, wo wir gerade können. Wir suchen Gott nicht im Ritual oder im Weihrauch, sondern in der Feier seines Wortes. Und das hast du ermöglicht. Dein Edikt hat uns Frieden gebracht.«
Gerührt legte ich die Fingerspitzen an den Mund, während mir Tränen in die Augen traten.
»Nach dem Gottesdienst«, fuhr er fort, »werden die Leute dich kennenlernen wollen, damit sie dir danken können.«
»Sie … sie wissen, dass ich hier bin?«
»Sie werden es erfahren, wenn du es wünschst.« Er grinste. »Du brauchst dich nicht zu sorgen. Du kannst dich selbst davon überzeugen, dass wir weder Teufel noch Verräter sind, die danach trachten, dieses Reich auseinanderzureißen. Wir sind ganz gewöhnliche Untertanen, die dir und deinem Sohn, König Charles, zu Dank verpflichtet sind, weil ihr uns …«
Das Donnern von Hufen draußen ließ uns herumwirbeln. Die Gläubigen waren zu tief in ihren Gesang versunken, um den Lärm zu hören, doch Coligny packte mich am Arm und zog mich zu einer Seitentür.
»Flieh«, flüsterte er. »Sofort. So schnell du kannst.«
Kaum hatte er mich ins Freie geschubst, nahm mich auch schon mein Leibwächter in Empfang, der das Pferd an den Zügeln hielt. »Eure Hoheit muss sofort von hier weg!«
Mit rasendem Herzen stieg ich in den Sattel und drehte mich noch einmal zum Stall um, wo nun Colignys mächtige Stimme ertönte. Dann schrie eine Frau. Mein Wächter hielt immer noch die Zügel in festem Griff und zerrte das Pferd zu einem Dickicht, wo er sein Tier angebunden hatte. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie Männer im Kettenpanzer in gestrecktem Galopp auf den Stall zujagten.
»Wartet«, befahl ich, doch meine Stimme war nur ein Flüstern.
»Das sind Soldaten der Guises«, zischte mein Leibwächter. »Hoheit, bitte; ich habe geschworen, Euch zu schützen.«
»Nein!« Ich riss an meinen Zügeln. Menschen begannen aus dem Stall herauszulaufen, darunter auch Coligny, in den Umhang gehüllt. Einige rannten in den Schutz der Bäume, andere blieben vor Entsetzen wie gelähmt vor den Reitern stehen, die im Begriff waren, den Stall zu umzingeln, und nun die Lanzen zum Angriff senkten. Einer schleuderte eine brennende Fackel durch die Tür, woraufhin sich in Sekundenschnelle ein Feuer ausbreitete. Ein grässliches Kreischen aus dem Inneren des Stalls verriet mir, dass sich dort noch Menschen befanden, die jetzt bei lebendigem Leib verbrannten. Fassungslos vor Entsetzen beobachtete ich, wie die Hugenotten im Freien niedergemetzelt wurden, wie Schwerter mit scharfer Klinge Köpfe, Arme und Beine abtrennten und
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