Die Flotte von Charis - 4
fragte sich Duchairn. Und warum kommt diese Nachricht von diesem ›Pater Styvyn‹ und nicht von seinem Bischof?
Ein Grund fiel ihm zumindest sofort ein, warum der Intendant seine eigenen Nachrichten abgeschickt hatte, unabhängig von seinem Bischof − und dieser Grund gefiel Duchairn ganz und gar nicht. Doch sollte Clyntahn vermuten, der Agent der Inquisition in Ferayd habe seinen Bericht möglichst rasch abgeliefert, um eine Katastrophe, die er zumindest mitverschuldet hatte, wenigstens etwas besser aussehen zu lassen, dann ließ sich der Vikar das zumindest nicht anmerken. Eigentlich schien Clyntahn nicht im Mindesten zu begreifen, welche möglicherweise katastrophalen Folgen dieser Zwischenfall haben konnte.
Und nach allem, was wir bislang wissen, geht es hier auch nicht nur um einen ›Zwischenfall‹, dachte Duchairn. Es ist sehr gut möglich, dass das bloß der Erste ist, von dem wir irgendetwas erfahren. Bislang.
»Das ist eine sehr bedeutende Neuigkeit«, merkte Trynair an − was Duchairn für eine geradezu atemberaubende Untertreibung hielt. »Sobald Charis davon erfährt, werden sie sofort diese ganze unschöne Angelegenheit als ein ›bewusst herbeigeführtes Blutbad auf unmittelbare Anweisung der Inquisition‹ denunzieren.«
»Es war nichts dergleichen«, gab Clyntahn zurück. »Andererseits werde ich nicht vorgeben, ich müsse auch nur eine Träne für ein Rudel Ketzer vergießen, das genau das bekommen hat, was es verdient hat. Eigentlich sind sie sogar noch gut weggekommen!«
»Ich werde Sie auch nicht bitten, irgendetwas vorzugeben«, sagte Trynair auffallend ruhig. »Ich weise lediglich darauf hin, dass Charis der ganzen Welt gegenüber behaupten wird, wir hätten willkürlich das Abschlachten einfacher Matrosen angeordnet − und deren Familien, Zhaspahr! −, als Teil unseres Vorgehens gegen die Schismatiker. Das werden sie dazu nutzen, ihre Rebellion zu rechtfertigen … und jedwede Gräueltaten, die sie als Vergeltungsmaßnahmen verüben werden.«
Clyntahn schaut den Kanzler an, als würde der in einer völlig unverständlichen, fremden Sprache auf ihn einreden, dachte Duchairn. Und aus dem Blickwinkel des Großinquisitors tat Trynair vielleicht sogar genau das. Schließlich waren sie von Anfang an bereit gewesen, das ganze Königreich Charis mit Feuer, Blutvergießen und Zerstörung zu überziehen, warum also sollte sich irgendjemand wegen des Todes von ein paar Dutzend − oder ein paar Hundert − charisianischen Matrosen und deren Frauen und Kindern so aufregen?
»Also gut«, sagte Clyntahn dann. »Wenn Sie sich so sehr darum sorgen, wie die Charisianer das in ihrer Propaganda ausschlachten könnten, dann sollten wir das eben selbst nutzen! Die Depesche von Pater Styvyn zeigt überdeutlich, dass die Charisianer diejenigen waren, die mit den Kampfhandlungen angefangen haben. Und ich darf vielleicht noch hinzufügen, dass die Verluste der Delferahkaner nicht gerade gering waren. Da die Charisianer diesen Kampf begonnen haben, sollten wir die Welt auch genau das wissen lassen. Die Obrigkeit von Delferahk hat versucht, friedlich deren Schiffe zu konfiszieren, und statt den Anweisungen der rechtmäßigen Obrigkeit Folge zu leisten, haben sie sich mit Gewalt zur Wehr gesetzt. Ich bin mir sicher, dass die Charisianer maßlos übertreiben werden, was das Ausmaß ihrer eigenen Verluste betrifft, deswegen wüsste ich wirklich nicht, warum wir die Verluste der Delferahkaner herunterspielen sollten. Wir sollten jeden, der bei dem Versuch, der Anweisung von Mutter Kirche Folge zu leisten, jene Schiffe zu konfiszieren, das Leben verloren hat, zu einem ›Märtyrer Gottes‹ erklären.«
Es war nicht ›Mutter Kirche‹, von der die Entscheidung stammte, sämtliche Häfen auf dem Festland gegen charisianische Schiffe abzuriegeln, dachte Duchairn grimmig. Die stammte von dir, Zhaspahr. Und was dort geschehen ist, erfolgte aufgrund deiner Autorität. Ist schon interessant, wie du mit dieser neuen Formulierung dessen, was da geschehen ist, deinen Kopf aus der Schlinge ziehen kannst, was?
Doch das war nicht das Schlimmste daran − bei Weitem nicht. Wenn sie die toten Delferahkanern zu Märtyrern erhoben, dann machten sie einen weiteren großen Schritt in die Richtung, einen Heiligen Krieg gegen Charis auszurufen. Zweifellos war das langfristig ohnehin unvermeidbar, doch Rhobair Duchairn hatte es wahrlich nicht eilig, diesen Umbruch auch noch zu forcieren.
Und? Ist das jetzt nur einfache
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