Die Flotte von Charis - 4
hinüberschaute. Kronprinz Zhan und seine zukünftige Braut, Prinzessin Mahrya, saßen Seite an Seite und beschauten die Tänzer. Die Tatsache, dass Zhan weniger als elf Safehold-Jahre alt war − kaum zehn Standardjahre −, während Mahrya fast neunzehn Safehold-Jahre zählte, machte sie auf dem Tanzparkett zu einem eher ungewöhnlichen Anblick. Für ihr Alter war Mahrya nicht sonderlich groß (nicht gerade verwunderlich, wenn man sich ihre Eltern anschaut, ging es Merlin durch den Kopf), doch sie war immer noch fast einen Fuß größer als Zhan, auch wenn ihr Bräutigam bereits vermuten ließ, es an Körperlänge bald mit Cayleb aufnehmen zu können.
Dennoch hatten die beiden, als sie den Ball mit dem ersten Tanz des Abends eröffneten, erstaunliche Anmut an den Tag gelegt. Tatsächlich war Merlin erstaunt zu sehen, wie ruhig sie unter den gespannten Blicken des ganzes Königs- und Kaiserhofes blieben. Zweifellos war es für sie immens hilfreich, tatsächlich von der Wiege an auf genau derartige Anlässe vorbereitet worden zu sein. Dennoch hatte es Merlin überrascht, mit welcher Selbstsicherheit und welchem Selbstbewusstsein sie den Ball anlässlich ihres offiziellen Verlöbnisses eröffnet hatten, und das mit einem Tanz, bei dem sie grazil einmal über das ganze Parkett des Saales gewirbelt waren.
Erst später hatte Merlin begriffen, dass Mahrya bewusst (und erstaunlich geschickt) ihren jüngeren Verlobten von der eigentlichen Spannung dieses Abends ablenkte. Trotz ihres Altersunterschiedes schien sie über diese Verlobung tatsächlich erfreut zu sein, und das nicht nur, weil sie den derzeitigen Erben des charisianischen Thrones ehelichen würde. Merlin zweifelte ernstlich daran, dass sich Prinzessin Mahrya insgeheim irgendwelchen romantischen Schwärmereien hinsichtlich dieses Elfjährigen hingab, doch ganz offensichtlich mochte sie Zhan. Und wie Cayleb auch schon angemerkt hatte, so war der Altersunterschied − kaum sechseinhalb Standardjahre − bei derart arrangierten Staatsehen alles andere als selten.
Zhan hingegen hätte beinahe geschmollt, als man ihn darüber informierte, sein älterer Bruder habe die Absicht, ihn mit der ältesten Tochter Nahrmahns von Emerald zu vermählen. Zhan konnte sich noch nie mit dem Gedanken anfreunden, aus Emerald oder Corisande könne irgendetwas Gutes kommen, schon vor dem Tode seines Vaters nicht. Seit der Schlacht im Darcos-Sund hatte sich dieser Hass geradezu beunruhigend verhärtet. Doch die Tatsache, dass Mahrya so viel älter war als er − mit einer Figur, die allmählich vielversprechende Konturen entwickelte −, hatte ausgereicht, um zumindest einen Teil jenes ›emeraldianischen Makels‹ von ihr zu tilgen. Als er dann noch entdeckte, dass sie ebenso wie er Bücher liebte, und auch, dass sie ihn trotz des Altersunterschiedes und ihrer unzweifelhaften (und offensichtlichen) Intelligenz keineswegs von oben herab behandelte, tilgte noch ein wenig mehr dieses Makels. Prinzessin Ohlyvya, Mahryas Mutter, hatte einen weiteren Faktor zugunsten dieser Eheschließung dargestellt. Ihr Teint war dunkler als Zhans verstorbene Mutter, doch sie hatte sehr vieles an sich, was den mittlerweile gänzlich verwaisten Kronprinz von Charis an Königin Zhanayt erinnerte.
Und die Reaktion, die Mahrya bei den etwas älteren männlichen Heranwachsenden aus dem Hofstaat hervorruft, hat Zhan dann wohl endgültig dazu gebracht, diesem Arrangement zuzustimmen, dachte Merlin, und wieder musste er ein wenig lächeln. Glücklicherweise hatte die Prinzessin sowohl ihre Figur als auch ihre Hautfarbe von ihrer Mutter geerbt, nicht ihrem Vater. Sie würde so schlank werden wie Prinzessin Ohlyvya, doch sie hatte schon längst jenes unbeholfene Stadium der Adoleszenz hinter sich gelassen, und wenn sich Merlin nicht täuschte, würde ihre Figur bald wahrscheinlich sogar die ihrer Mutter in den Schatten stellen. Zumindest einige der adligen Jugendlichen aus Charis schienen ernstliche Schwierigkeiten zu haben, nicht zu sabbern, wann immer die Prinzessin anmutig an ihnen vorbeischritt. Tatsächlich schien sie völlig mühelos eine Reaktion bei jedem männlichen Angehörigen ihrer Spezies hervorzurufen, um die Nimue Alban im Alter von siebzehn Jahren sie mit jeder hormongesteuerten Faser ihres Körpers zutiefst beneidet hätte. Zhan hatte sehr rasch bemerkt, wie dieses Eheversprechen sein eigenes Ansehen bei seinen gleichaltrigen und etwas älteren Bekannten deutlich gesteigert hatte − und das war
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