Die Flotte von Charis - 4
Die Kommandeure seiner See- und Landstreitkräfte waren sehr wohl in der Lage, ganz alleine sämtliche Gefechte zu durchstehen, die hier erforderlich waren. Doch es mochten während dieser Schlachten auch politische Entscheidungen erforderlich sein − ach, ganz gewiss würden sie erforderlich sein! −, Entscheidungen, die sofort und entschlossen zu treffen waren, ohne eine Verzögerung von Fünftag um Fünftag, in denen Nachrichten zwischen Corisande und Charis hin- und hergeschickt werden mussten. Abgesehen davon vertrauten die Kämpfer von Charis Cayleb ohne jede Einschränkung, er war fast eine Art Idol für sie. Was vielleicht nicht sonderlich überraschend war angesichts der Schlachten vor der Felsnadel, in der Klippenstraße und im Darcos-Sund. Wenn er sie persönlich bei diesem Feldzug begleitete, war das ebenso viel wert wie ein ganzes Geschwader Galeonen.
Und was ebenso wichtig ist: Es bietet uns eine Gelegenheit zu zeigen, dass dieses neu gegründete ›Kaiserreich‹ tatsächlich auf einer Eheschließung zweier Ebenbürtiger basiert. Der König von Charis mag ja in diesen Krieg ziehen, doch es ist ein Krieg des Kaiserreiches, nicht nur des Königreiches Charis. Und die Königin von Chisholm wird in der Heimat bleiben und von dort aus nicht nur Chisholm regieren, sondern in Abwesenheit des Kaisers auch das ganze Kaiserreich … und das auch in ihrem Namen, nicht nur in dem seinen.
»Dir ist doch wohl klar«, sagte sie nach kurzem Nachdenken, »dass diese kleine Militärexkursion unseren Plänen, den Regierungssitz ständig zwischen Tellesberg und Cherayth hin und her zu verlegen, einen gewaltigen Dämpfer verpasst, oder nicht?«
»Ich hoffe, es wird nicht allzu schlimm werden«, gab Cayleb ernst zurück. »Wenn es unbedingt notwendig sein sollte, können wir wahrscheinlich Rayjhis zurücklassen, der dann in unserem Namen hier in Charis die Regierungsgeschäfte führt, solange wir den Regierungssitz offiziell nach Cherayth verlegen − und dich wieder in deine Heimat zurückbringen.«
»Das würde ich für die falsche Entscheidung halten.« Nachdenklich schürzte Sharleyan die Lippen. »Ich will gar nicht so tun, als mache ich mir keinerlei Gedanken darüber, wie wohl Mahrak und Mutter während meiner Abwesenheit zurechtkommen. Aber sie sind wirklich fähig, und dass du vor dem Einmarsch in Corisande noch einen Zwischenhalt in Chisholm einlegen wirst, bietet ihnen die Möglichkeit, auch dich kennenzulernen, so wie deine Charisianer mich haben kennenlernen können. Und falls ich mich nicht gewaltig täusche, wird die Tatsache, dass du − und deine Charisianer − mir genug vertrauen, mich hier während deiner Abwesenheit alleine in Tellesberg zurückzulassen, jegliche Sorgen darüber aufwiegen, ob nun der Regierungssitz genau dem ursprünglichen Zeitplan gemäß hin und her verlegt werden kann.«
»Natürlich vertraue ich dir!« Cayleb schien überrascht, dass daran überhaupt ein Zweifel bestehen könne, und sie tippte ihm mit dem Zeigefinger fest gegen die Brust und lächelte.
»Ich weiß das«, erklärte sie ihm, fast schon scheltend.
»Aber alle anderen dazu zu bringen, das auch zu glauben, wird vielleicht nicht ganz so einfach sein. Und das hier, denke ich, ist eine der besten Möglichkeiten, um genau das zu bewirken.«
»Auch wenn es für uns beide immens schmerzhaft ist«, pflichtete er ihr bei.
»Und das Ganze hat noch einen anderen Nebeneffekt«, sprach sie weiter.
»Und der wäre?«
»Einer der Vorteile davon, Mitregenten zu haben, ist es nun einmal, dass einer von uns tatsächlich hier in Tellesberg bleiben kann, während der andere aufbricht und sich anderer Probleme annimmt. Ich weiß, dass wir beide Erste Ratgeber haben, denen wir ohne Weiteres vertrauen, aber das ist nicht das Gleiche, und das weißt du auch. Wenn das hier wirklich so funktioniert, wie ich mir das denke, dann werden wir in einem Maße flexibel sein wie niemand zuvor. Und um ganz ehrlich zu sein, wir werden diese Flexibilität auch brauchen, um etwas so großes wie das Kaiserreich halbwegs organisiert zu halten und dafür zu sorgen, dass alles sich in die gleiche Richtung entwickelt.«
Nüchtern nickte er, und in sonderbarer Art und Weise, von der er bezweifelte, er könne sie jemals irgendjemand anderem erklären, steigerte ihre ernsthafte, pragmatische Analyse der Lage nur noch die Liebe, die er für sie empfand − und das Bedauern darüber, dass der Zeitpunkt für den Abschied näher und näher rückte. In
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