Die Flotte von Charis - 4
beliebigen anderen Nation zu verschließen? Ihnen die Bedingungen vorzuschreiben, zu denen es den Untertanen jener weltlichen Herrscher gestattet sein soll, für ihr Auskommen zu sorgen, damit sie ihre eigenen Kinder durchbringen können? Kein Inquisitor hat jemals eine derartige Macht für sich in Anspruch genommen! Andererseits: Wann hat jemals ein anderer Großinquisitor sich einer derartigen Bedrohung entgegen gesehen?
»Das würde zu einer direkten Eskalation führen«, betonte Trynair. »Es würde Charis davon freisprechen, für diese aktuelle Situation verantwortlich zu sein, zumindest teilweise, und sie stattdessen Mutter Kirche aufbürden.«
»Und«, setzte Duchairn hinzu, »wenn wir es tun, wird dies den Druck auf uns − auf Mutter Kirche − vergrößern, mit angemessener militärischer Härte gegen Charis vorzugehen. Und dazu sind wir derzeit wohl kaum in der Lage.«
»Zumindest noch den Rest dieses Jahres«, pflichtete Maigwair ihm bei. »Selbst wenn wir den Bau dieser Schiffe abgeschlossen haben, wird es noch einiges an Zeit brauchen, entsprechende Besatzungen dafür auszubilden. Es ist ja nicht so, als hätten wir den unerschöpflichen Vorrat an Matrosen, über den Charis zu verfügen scheint.«
»Wen interessiert denn, ob das zu einer ›Eskalation‹ führt?«, wollte Clyntahn wissen. »Das hier ist ein Krieg zwischen Gottes Eigener Kirche und Seinen Feinden. Ein Krieg zwischen Langhornes Licht und Shan-weis ewiger Finsternis. Statt so zu tun, als wäre es anders, ist es an der Zeit, allen Rechtgläubigen die Wahrheit über Charis’ sorgfältig geplante, von langer Hand vorbereitete Rebellion gegen Gottes rechtmäßige Autorität und Seine Statthalter auf dieser Welt zu berichten. Meine Agenten melden mir, in den Schenken und auf den Straßen gebe es schon leises Gerede über Staynairs Widerstand und diese sogenannte ›Sterbebett-Erklärung‹ von diesem Bastard Dynnys. Es ist an der Zeit, offen zuzugeben, welcher Natur dieser Kampf hier wirklich ist, und alle Rechtgläubigen offen dazu aufzufordern, gegen dieses Nest Shan-weis in den Heiligen Krieg zu ziehen. Es ist doch allemal besser, eine Wunde der reinigenden Luft auszusetzen und das Gift des Zweifels zu entfernen, bevor sie nur noch mehr Seelen auf den Pfad der Verderbtheit führt.«
Die Falten auf Trynairs nachdenklich gerunzelter Stirn wurden noch tiefer, und für Duchairns Miene galt das Gleiche. So sehr er auch die Folgen von Clyntahns Unbeherrschtheit fürchtete, so sehr hatte das, was der Großinquisitor gerade gesagt hatte, durchaus etwas für sich. Zumindest hatten die Charisianer niemals zu verheimlichen versucht, dass sie sich der Autorität von Mutter Kirche entgegenstellten. Tatsächlich hatten sie Tausende Kopien von Staynairs Schreiben an den Großvikar angefertigt − von jenem Schreiben, in dem er sich offen von Mutter Kirche lossagte −, und sie in allen Hafenstädten von ganz Safehold verteilt. Die Inquisition hatte jedes Exemplar beschlagnahmt, derer sie habhaft werden konnte, doch Duchairn war sich sicher, dass immer noch zahllose Abschriften im Umlauf waren. Und die Tatsache, dass Staynair seinen Widerstand damit begründete, sich gegen die Korruption und Verderbtheit der Kirche zu stellen, statt auf irgendeinen Disput über die Kirchenlehre − abgesehen von der Lehre um die oberste Autorität des Großvikars, natürlich −, war ebenfalls nicht unbemerkt geblieben.
Und zusammen mit Dynnys’ letzter Erklärung hat das wirklich einen wunden Punkt bei Zhaspahr getroffen. Doch die Tatsache, dass seine Argumentation ebenso von Zorn wie von Logik vorangetrieben wird, macht sie nicht zwangsweise unsinnig. Und auch nicht die Tatsache, dass er hier die Beweislage verfälscht.
Mit einem hat Staynair recht. Ich mag es verabscheuen, das zuzugeben, aber der Rat der Vikare ist korrupt und verderbt. Wir sind korrupt, und es ist längst an der Zeit, vor der eigenen Haustür zu kehren. Aber so sehr Staynair damit auch recht hat, zunächst einmal müssen wir das Haus retten, zu dem diese Tür gehört. Wir dürfen nicht zulassen, dass irgendjemand die Einheit von Mutter Kirche zerstört − eine Einheit, die seit dem Tag der Schöpfung existiert hat! −, so berechtigt sein Zorn und seine Forderung nach Reformen auch sein mag. Und wenn das wahr ist, dann müssen wir uns offen der wahren Natur dieser Schlacht stellen, die vor uns liegt. Und wenn, so gestand er sich unglücklich ein, das für uns erforderlich macht, einige
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