Die Flotte von Charis - 4
Großinquisitor auf diesen Vorschlag erst gebracht hatte: Duchairn wusste keinen besseren Lösungsvorschlag für dieses Dilemma vorzubringen.
»Zhaspahr hat recht«, entschied nun Maigwair. »Seit Staynairs Schreiben den Tempel erreicht hat, gibt es ohnehin kein Zurück mehr, Rhobair. Das wissen Sie genau so gut wie der Rest von uns.«
»Ja, wahrscheinlich ist das so«, seufzte Duchairn. »Aber der Gedanke daran, wie viele Menschen den Tod finden werden, lässt mich doch wünschen, es eben nicht zu wissen.«
»Der Tod ist besser als alles, was jeglicher Ketzer verdient.« Clyntahns Stimme war eiskalt, sein fleischiges Gesicht schien wie aus Granit gemeißelt. »Je früher sie sich zu ihrer dunklen Herrin in die Hölle gesellen können, desto besser für die Reihen von Gottes Rechtgläubigen.«
Und was ist mit all den Leuten, die keine Ketzer sind, Zhaspahr?, fragte sich Duchairn innerlich. Was ist mit den Kindern, die zusammen mit ihren Eltern den Tod finden werden, wenn du die Städte von Charis in Schutt und Asche legst? Werden diese Unschuldigen die Möglichkeit gehabt haben, sich zwischen der Ketzerei und der Wahrheit zu entscheiden? Und was ist mit all jenen Charisianern, die immer noch Gott und Seiner Kirche treu ergeben sind und die dennoch in den Weg der heiligen Armeen geraten werden, die du auszuschicken vorschlägst, um ihre Nachbarn zu erschlagen? Und was ist mit der Reaktion − und diese Reaktion wird kommen, früher oder später! −, wenn der Rest von Safehold begreift, dass Staynairs Vorwürfe der Verderbtheit und der Korruption völlig berechtigt waren? Wirst du gegen diese Korruption vorgehen? Wirst du deiner eigenen Machtposition und deinem persönlichen Reichtum widersagen? Wirst du dich den Lehren und Glaubensfragen gegenüber unvoreingenommen und offen verhalten? Jetzt, auf einmal?
Doch trotz dieser Fragen kehrten seine Gedanken immer und immer wieder zu dieser einen, unwiderlegbaren Tatsache zurück: Damit Mutter Kirche überhaupt eine Gelegenheit erhielte, wieder zu dem zu werden, was sie sein sollte, was sie wieder werden musste, war es zunächst erforderlich, Mutter Kirche zu bewahren, wie auch immer ihre derzeitigen Makel geartet sein mochten.
»Das gefällt mir nicht sonderlich«, sagte Trynair, und Duchairn begriff, dass sein Kollege hier gewaltig untertrieb, »aber ich fürchte, Sie könnten recht haben, Zhaspahr. Wir müssen in jedem Falle irgendwie gegen die Auswirkungen dieser charisianischen Freibeuter vorgehen, die Rhobair und Allayn uns gerade dargelegt haben. Und Sie haben gewiss recht damit, wie sehr Charis von seiner eigenen Handelsflotte abhängig ist. Um ganz ehrlich zu sein: Ich möchte keineswegs damit sagen, ein Heiliger Krieg sei unausweichlich − zumindest noch nicht −, aber irgendetwas muss getan werden.«
Er blickte sich am Konferenztisch um, und seine Miene war sehr ernst.
»Unter den gegebenen Umständen glaube ich, dass wir wirklich keine andere Wahl haben.«
.VIII.
Manchyr, Fürstentum Corisande
Die Wärme der Nachmittagssonne fühlte sich auf Hektor Daykyns Schultern fast noch angenehm an. Das Klirren und Quietschen von Rüstungen, Kampfgeschirren und Sattelleder umgab ihn und seine Gardisten von allen Seiten, und seine Gedanken überschlugen sich fast, während sie durch die Straßen von Manchyr ritten.
Der Tag hatte besser angefangen, als Hektor das erwartet hatte. Die Feldübungen der Truppen an diesem Morgen waren zufriedenstellend verlaufen, und es hatte Hektor erfreut, wie wohlgelaunt die Truppen zu sein schienen. Natürlich hatte niemand gewagt, verzagt und mutlos herumzustehen, wenn die Gefahr bestand, dass der Prinz ihn hätte sehen können, doch es gab immer noch einen Unterschied zwischen Männern, die nur Befehle befolgten, und Männern, die mit Leib und Seele bei der Sache waren.
Hektor bezweifelte, dass seine Soldaten − von denen die meisten schließlich relativ schlichte, einfallslose Burschen waren − vermuteten, wie sehr sie und ihre Manöver die Stimmung ihres Prinzen verbessert hatten. Oder wie wichtig es in diesen Tagen war, seine Stimmung aufzuhellen. Es fiel ihm schwer, Überschwang an den Tag zu legen, wenn er daran dachte, welchen Vorschlaghammer Cayleb Ahrmahk gerade schon vorbereiten musste, um bald dieses Fürstentum zu zerschmettern. Dass der erste Schlag bislang noch nicht erfolgt war, bedeutete zumindest einen gewissen Trost und ließ Hektor hoffen, ihm blieben vielleicht sogar noch einige Monate, bis der Angriff
Weitere Kostenlose Bücher