Die Flotte von Charis - 4
Personen. Wir wissen jetzt, dass jemand, der den Prinzen tot sehen will, auch bereit ist, dessen Tod notfalls selbst herbeizuführen. Das ist immerhin schon mehr, als wir noch heute Morgen wussten. Ich behaupte wahrlich nicht, das sei genug, nur dass es eben mehr ist. Wir werden weiterhin versuchen herauszufinden, wer dafür verantwortlich ist, aber in der Zwischenzeit bleibt uns nichts anderes zu tun, als Vorkehrungen zu treffen, um es dem Attentäter beim nächsten Mal deutlich zu erschweren. Und bei allem gebührendem Respekt, ich denke, es wäre ratsam, auch Eure Leibgarden zu verstärken und ebenso die Eures Bruders. Ich möchte niemanden von Euch beunruhigen, aber wenn wirklich Cayleb dahintersteckt, dann wäre es durchaus denkbar, dass sein Ziel lautet, Euch alle aus dem Weg zu räumen.«
»Graf Coris hat recht, Hoheit«, stimmte Anvil Rock leise zu. »Wir alle werden tun, was wir können, aber im Augenblick beschränkt sich das weitestgehend darauf, im Umfeld Eures Herrn Vaters für erhöhte Sicherheit zu sorgen − und natürlich auch in Eurem eigenen Umfeld und dem Eures Bruders.«
»Und was erklären wir allen anderen?« Irys Stimme war immer noch energisch, doch sie klang dabei nicht mehr so sehr nach altem, eisigem Stahl. Fragend hob Coris die Augenbrauen, und die Prinzessin schnaubte verächtlich. »Es müssen doch schon jetzt überall in der Stadt Gerüchte kursieren«, erklärte sie. »Morgen um diese Zeit werden sie schon die Baronie Barcors durchquert haben und wahrscheinlich überall in Shreve oder Noryst umgehen!«
Da übertreibt sie, dachte Hektor. Es bedurfte schon der kirchlichen Semaphoren, um eine Nachricht − oder eben auch ein Gerücht − innerhalb von kaum sechsundzwanzig Stunden sechshundert Meilen weit zu tragen. Dennoch hatte seine Tochter im Prinzip nicht unrecht.
»Es gibt schon jetzt genügend Ungewissheit und Beunruhigung. Dem brauchen wir nicht auch noch etwas hinzuzufügen«, fuhr sie fort. »Vor allem, wenn wir nichts anderes zu sagen haben als ›Wir wissen nicht, wer’s war‹.«
»Damit hat Sie recht«, sagte Hektor. Die anderen blickten ihren Regenten an, und er stieß ein ähnliches Schnauben aus wie seine Tochter kurz zuvor; dann stützte er sich mit beiden Händen auf die Platte des Konferenztisches. »Natürlich! Glauben Sie mir, Gerüchte, die aus der Unwissenheit geboren werden, sind stets schlimmer, als jegliche möglicherweise völlig präzise Antwort es jemals sein könnte!«
»Und was sollen wir dann unternehmen, Mein Prinz?«, fragte Tartarian nach kurzem, betretenem Schweigen, und Irys lachte. Es war kein sonderlich schöner Laut.
»Darf ich, Vater?«
»Mach nur«, forderte Hector sie auf, richtete sich wieder auf, und Prinzessin Irys lächelte die anderen Männer grimmig an.
»Am wichtigsten ist, dass wir irgendein Gesicht oder irgendeinen Namen vorzuweisen haben, wann immer die Frage auftaucht, wer nun für dieses Attentat verantwortlich ist«, erklärte sie dann. »Dass wird jeglichen Eindruck ausmerzen, es könne doch ein Akt des Widerstandes oder der Rebellion aus Corisande selbst sein. Und haben wir uns nicht gerade auf eine Person geeinigt, die wohl als Verdächtiger am geeignetsten wäre?«
»Cayleb«, erwiderte Tartarian. Wie die meisten Männer, neigte auch er in derartigen Momenten dazu zu vergessen, dass Prinzessin Irys noch nicht einmal zwanzig Jahre alt war. Tatsächlich war sie in vielerlei Hinsicht so sehr die Tochter ihres Vaters, dass es manchmal regelrecht erschreckend war.
»Genau«, bestätigte sie. »Vielleicht war es wirklich Cayleb, vielleicht auch nicht, aber er hätte es ganz offensichtlich gewesen sein können. Und es ist ja nun auch nicht so, als hätten wir irgendwelche Beweise dafür, dass er es nicht war. Angesichts der Tatsache, dass wir uns im Krieg mit Charis befinden, werden die meisten ganz von alleine auf die Idee kommen, ihn für diesen Anschlag verantwortlich zu machen, und er ist ein Fremder. Im Augenblick sogar der Fremde schlechthin. Abgesehen davon ist ein derartiges Attentat genau das, was man von Ketzern auch erwarten würde. Also würde es das Volk sogar in gewisser Weise ein wenig mehr vereinen, wenn wir jetzt verkünden, wir glaubten, Cayleb sei dafür verantwortlich.«
»Sie hat recht«, bestätigte Hektor erneut und lächelte seine Tochter an. Dann blickte er zu seinen drei Beratern hinüber. »Es ist überhaupt nicht wichtig, ob es tatsächlich Cayleb war. Um seinen Ruf brauchen wir uns sowieso
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