Die Flotte von Charis - 4
Galeone stehen zu bleiben. Dieses Achterdeck lag wirklich sehr hoch. Die HMS Todeswal war eine von nur vier Galeonen, über die ihre Flotte verfügt hatte − vor jenem verhängnisvollen Feldzug, der im Darcos-Sund ein abruptes Ende gefunden hatte. Und im Gegensatz zu den Galeonen der Royal Charisian Navy, die sie nach Tellesberg eskortierten, hatte man bei der Todeswal den ursprünglichen, schwerfälligen Segelriss und die hoch aufragenden Deckaufbauten mit mehreren Stockwerken auf dem Vorderund dem Achterdeck beibehalten. Bei den schlanken, flachen Schiffen aus Charis hatte man auf sämtliche dieser Aufbauten verzichtet, um den Schwerpunkt näher an die Wasseroberfläche zu bringen und zugleich die Hochseetauglichkeit zu steigern; außerdem konnten derart flache Schiffe ungleich härter am Wind gesegelt werden. Sharleyan selbst war alles andere als eine erfahrene Matrosin, doch auch ihr war aufgefallen, mit welchem Neid ihr Captain die Gewandtheit der charisianischen Schiffe bestaunt hatte − so sehr er sich auch bemüht hatte, es sich nicht anmerken zu lassen.
Doch im Augenblick dachte Sharleyan deutlich weniger über die Vorzüge und Nachteile verschiedener Galeonen-Bauweisen nach als über den jungen Mann, der hier ihrer Ankunft harrte.
Ich werde nicht zur Reling laufen wie ein aufgeregtes Schulmädchen. Ich bin eine Königin, um Himmels willen! Ich habe die königliche Würde zu wahren … und es ist völlig unsinnig, jetzt Schmetterlinge im Bauch zu haben!
Das sagte sie sich innerlich mit fester Stimme.
Allzu viel half es nicht.
Jetzt hör aber auf! Du weißt genau, warum du diese Entscheidung gefällt hast, gegen den Willen von Leuten wie Onkel Byrtrym. Im Vergleich zu all den Gründen, die zu dieser Entscheidung geführt haben, was macht es denn da schon aus, wie er aussieht?!
Am liebsten hätte sie angesichts dieser unsinnigen Gedanken den Kopf geschüttelt, doch stattdessen blickte sie zu der jungen Frau hinüber, die neben ihr auf dem Achterdeck stand.
Lady Mairah Lywkys war die einzige Hofdame, die Sharleyan auf diese Reise mitgenommen hatte. Zum Teil lag das daran, dass sie in einer der ersten Entscheidungen, die Sharleyan als Königin von Chisholm gefällt hatte, die Anzahl der Hofdamen deutlich verringert hatte, die einer Königsgemahlin zustanden. Es war ihr darum gegangen, auf diese Weise die Adligen in ihrem Reich von der althergebrachten Denkweise abzubringen, die in ihrer jugendlichen Königin immer noch ein aufgeregtes kleines Mädchen‹ sahen, das unbedingt verhätschelt werden musste … und entsprechend ›angemessen verheiratet‹, manipuliert oder notfalls auch beseitigt. Ähnliche Überlegungen hatten Sharleyan auch angetrieben, als sie die Gästeliste für diese Überfahrt zusammengestellt hatte; und wen aus der relativ kurzen Liste ihrer Hofdamen sie auswählen würde, hatte niemals infrage gestanden. Mairah Lywkys war nicht nur ihre beste Freundin aus dem gesamten Adelsstand von Chisholm, sie war zugleich auch noch die Nichte des Barons Green Mountain.
Doch auch um Mairah drehten sich Sharleyans Gedanken im Moment kaum, und kurz biss sich die Königin von Chisholm auf die Lippen, als sie an den Mann dachte, der in diesem Augenblick eigentlich hätte an ihrer Seite stehen sollen.
Mahrak Sahndyrs war für sie am ehesten wie ein Vater gewesen, seit König Sailys gestorben war. Falls es irgendjemanden gibt, der meiner Hochzeit wirklich beiwohnen sollte, dann ist das Mairahs Onkel, dachte sie. Doch er konnte nicht hier sein. Und er war auch nicht der Einzige, den Sharleyan vermissen würde. Sie hatte keine andere Wahl gehabt, als ihn in der Heimat zurückzulassen, und Gleiches galt auch für Königinmutter Alahnah, die nun die dringendsten Regierungsgeschäfte übernehmen musste, während ihre Tochter davonsegelte, um zum ersten Mal ihren Bräutigam zu sehen. Diese beiden Personen, so gerne Sharleyan sie jetzt bei sich gewusst hätte, waren die Einzigen, auf deren Fähigkeiten und Treue sie sich bedingungslos verlassen konnte.
Und genau das erklärte auch, warum Sharleyan sich gezwungen gesehen hatte, Herzog Halbrook Hollow auf diese Reise mitzunehmen.
Eigentlich rechnete sie nicht damit, dass ihr Onkel in ihrer Abwesenheit eine Rebellion gegen sie anzetteln würde, vor allem nicht, da zu diesem Zeitpunkt seine eigene Schwester die Regierungsgeschäfte übernommen haben würde, doch Sharleyan war sich nicht wirklich sicher, ob sie sich darauf verlassen konnte. So gut sie auch
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