Die Flotte von Charis - 4
würde ich feststellen können, dass Kevyn nur noch schwärzer sieht als sonst!
»Ich halte das sogar für eine ausgezeichnete Idee«, sagte er dann. »Aber leise, Kevyn − leise.« »Ich gehe davon aus, dass Sie Ihren Männern die Notwendigkeit erläutert haben, diesen Ketzern gegenüber ausreichende Entschlossenheit zu zeigen, Captain Kairmyn?«
»Selbstverständlich habe ich das, Pater«, erwiderte Tomhys Kairmyn, wandte sich um und blickte Pater Styvyn fest in die Augen. Er hätte es vorgezogen, diese unabdingbare Notwendigkeit zu vermeiden, doch der Intendant war einer jener Inquisitoren, die fast gänzlich darauf vertrauten, ihren Mitmenschen die Wahrheit von den Augen ablesen zu können. Und so war es äußerst unklug, ihm jemals eine Gelegenheit dafür zu verweigern.
Konzentriert blickte Pater Styvyn Graivyr Kairmyn in die Augen, als wolle er die Gedanken des Captains lesen.
Und ich will hoffen, dass er nicht gerade genau das tut, dachte Kairmyn, schließlich waren Sir Vyks Anweisungen fast das genaue Gegenteil von seinen eigenen!
»Gut, Captain«, sagte Graivyr dann. »Gut.«
Erneut wandte der Intendant sich ab und spähte aus den dichten schwarzen Schatten im Inneren des Lagerhauses in die Nacht hinaus. Viel zu sehen gab es nicht − noch nicht −, und der Oberpriester sog hörbar die Luft ein.
»Es ist mir bewusst«, sagte er so beiläufig, als spreche er mit sich selbst, »dass nicht jedem die Gefahr jenes Abgrundes bewusst ist, vor dem wir gerade stehen. Selbst einige Mitglieder des Episkopats scheinen noch nicht ganz zu begreifen, was hier gerade vor sich geht.«
Das, dachte Kairmyn, ist gewiss eine Anspielung auf Bischof Ernyst.
Dieser Gedanke war nicht gerade dazu angetan, seine Stimmung zu heben.
»Ich denke, man kann es ihnen kaum verübeln«, sprach Graivyr weiter. »Alle Menschen wollen glauben, ihre Mitmenschen seien guten Herzens, und niemand möchte glauben müssen, bloße Sterbliche könnten Gottes Plan für das ewige Wohlergehen der Menschen zerrütten. Doch selbst die Erzengel …« − er legte die Fingerspitzen zunächst an die Brust, dann führte er sie an die Lippen − »… haben zu ihrem Bedauern feststellen müssen, dass die Sünde jegliche Güte zu zerstören vermag, dass sie selbst einen Erzengel der Verderbtheit anheimfallen lassen kann. Diese Charisianer …« − langsam schüttelte er den Kopf − »… haben sich daran begeben, Shan-weis Werk zu tun. Und ebenso wie ihre ewig verdammte Herrin haben auch sie den ersten Schritt damit getan, fromme Bedenken zu äußern, mit denen sie ihre wahren Ziele verschleiern.«
Kairmyn betrachtete den Rücken des Intendanten und lauschte dem tief verwurzelten Zorn − und der Frustration − in der Stimme des Kirchenmannes.
»Und jeder Mensch, selbst der Großvikar, ist nur ein Sterblicher«, sagte Graivyr. »Das macht ihre Vorwürfe ja für jene schwächeren Glaubens auch so verdammenswert überzeugend. Doch wie auch immer es um die moralische Schwäche Seiner Heiligkeit auch bestellt sein mag, wenn er in seiner Funktion als Statthalter Langhornes spricht, so spricht er mit der Unfehlbarkeit Gottes Selbst. Es mag … Unvollkommenheiten im Vikariat geben. Es mag auch vereinzelte Fälle tatsächlicher Korruption in der Priesterschaft geben. Das gehört schließlich zu den Dingen, die auszurotten und zu bestrafen der Erzengel Schueler das Offizium der Inquisition beauftragt hat, und die Aufgabe der Inquisition wird sich niemals zur Gänze erfüllen lassen, so eifrig wir darum auch bemüht sein mögen. Doch wenn sündige Menschen den Primat Gottes Eigener Kirche infrage stellen, so sorgsam sie diesen Angriff auf Mutter Kirche auch hinter vermeintlich vernünftigen Gründen verbergen, so ist es doch Shan-weis Werk, nicht das Langhornes, das sie damit vollbringen. Und …« − erneut wirbelte er herum und blickte Kairmyn mit zusammengekniffenen, zornigen Augen an − »… man muss sie aufhalten. Shan-weis Gift muss aus dem Leib der Rechtgläubigen herausgeschnitten werden, wie ein Arzt ein verdorrtes Glied fortschneidet. Man muss die Reinigung mit Feuer und Schwert herbeiführen!«
Kairmyn wünschte, er hätte den Mut, den Intendanten zu fragen, ob der Bischof seine Anwesenheit in dieser Nacht überhaupt gebilligt habe. Oder ob Bischof Ernyst überhaupt wusste, wo sich Graivyr gerade aufhielt. Doch das zu tun wagte er nicht − ebenso wenig, wie er es gewagt hatte, Graivyrs Verhalten infrage zu stellen, als der Intendant mit
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