Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
findet er ihn. «
Crispin zog lediglich eine Braue hoch und räusperte sich leise. Seit fünf Tagen war er nun mit diesem Narren unterwegs und hatte sich mittlerweile an dessen Geschwätz gewöhnt. Ein seltsames Gespann bildeten sie, wenn sie, zusammen auf einem Pferd reitend, durch die Landschaft zogen: der Ordensritter im weißen Habit und die klapperdürre Gestalt hinter ihm, gekleidet in eine alte, graue Decke, die er sich dick um den Leib geschlungen hatte, was den erbärmlichen Anblick seiner spindeldünnen, bloßliegenden Arme und Beine nur verstärkte. Crispin hatte mit seiner Einschätzung dieses Taugenichts richtig gelegen: er taugte tatsächlich zu nichts. Er kannte nicht den Weg, auch wenn er dies stets von sich behauptete, er fraß ihm die Haare vom Kopf, ohne sich selbst um die Beschaffung von Nahrung zu kümmern, er war ein bekennender Dieb und zudem ein Schwätzer vor dem Herrn. Dennoch ertrug Crispin die Anwesenheit Regino von Bunseborns, und insgeheim wusste er auch, warum: Es war diese erfrischende Lebendigkeit des Narren, die den Ritter von den schrecklichen, tödlichen Erinnerungen der letzten Monate ablenkte.
Nun hatten sie also endlich das gesuchte Kloster erreicht, den Ort, an welchem Crispin hoffte, seinen Freund und Mitbruder Konrad anzutreffen, um diesen vor einer Rückkehr zur Marienburg zu warnen. Regino erhoffte sich, bei den Zisterzienserinnen in Erfahrung zu bringen, wohin es seine verlassenen Schäfchen gezogen hatte. Er war guter Dinge und der festen Überzeugung, sie alle bald wieder wohlbehalten um sich scharen zu können. Die unguten Ereignisse der letzten zwei Wochen wollte er vergessen, und darin war er auch erfolgreich, zumindest tagsüber. Des Nachts allerdings träumte er durchaus von Elisabeth, die er in den Fängen dieses menschenfressenden Wolfes hatte zurücklassen müssen. Dann erwachte er schweißgebadet und konnte erst wieder einschlafen, wenn er sich in bunten Farben ausmalte, dass er auch Elisabeth würde erretten können.
Es war ohnehin notwendig, Fips zu finden, da dieser über die heißbegehrte Goldgrubenkarte verfügte, und wo Fips war, da wäre auch das Fräulein nicht weit. Gewiss hatte sie in der Zwischenzeit Schreckliches erleiden müssen. Doch niemand in diesen Zeiten blieb verschont. Jeder hatte sein Päckchen zu tragen, die Hauptsache war, man blieb am Leben. Mit diesen für ihn ausreichend tröstenden Gedanken gelang es Regino nach einem Albtraum wieder einzuschlummern und nach und nach seine alte Fröhlichkeit zurückzugewinnen, was nicht zuletzt auch an dem guten Essen lag, welches ihm der prächtige Ritter Crispin des Abends in den Rasthäusern, in denen sie mitunter unterkamen, spendierte.
Und sicherlich würde man auch in diesem äußerst massiven, einem Langhaus gleichenden Frauenkloster, vor dem sie nun angekommen waren, nicht schlecht versorgt werden. Ja, Regino zwang sich, nur an das Gute zu denken, was ihn in den nächsten Stunden erwartete. Lediglich im Hinterkopf schwirrten sie herum, die vielen, vielen Zweifel, Gewissensbisse und Ängste, welche ihn in Stücke reißen könnten, falls er ihnen wieder erlauben würde, sich seiner zu bemächtigen.
» Alles wird gut « , flüsterte er schließlich, als sie an die Pforte des Klosters gelangten, schaute flehentlich gen Himmel und bekreuzigte sich drei Mal. Crispin war bereits abgestiegen und klopfte mit dem eisernen Schlegel gegen das mächtige Tor.
Eine kleine Luke, ein Guckloch bloß, öffnete sich, und zwei von Falten umgebene, argwöhnisch blitzende Augen lugten hervor.
» Was? « , vernahm man die Stimme eines Wesens, von dem man nicht mit Genauigkeit sagen konnte, ob es sich um ein Männlein oder Weiblein handelte.
» Mein Name ist Crispin de Montbard, meines Zeichens Ritter des Ordo Teutonicus. Ich bin auf der Suche nach meinem Bruder Konrad von Tiefenbrunn, der an diesem Orte abgestiegen sein soll. «
» Weg « , gab die Stimme bloß von sich.
» Wie meinen? « , fragte Crispin.
» Der ist weg. «
» Er war aber hier? «
» Ja. «
» Wann ist er abgereist? «
» Vor zwei Nächten. Sein Pack hat er hier gelassen. Sie liegen im Gästehaus und verrecken wie zu früh geborene Ferkel. «
Sehr unchristlich war es, was dieser Mensch da von sich gab. Solche Worte wollten gar nicht zu dem andächtigen Ort passen, dessen Pforte er bewachte. Es war ein Zisterzienserinnenkloster, eine Anlage also, hinter deren Mauern auch sehr viele Laien arbeiteten, indem sie den reichen
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