Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Wirtschaftsbetrieb des Klosters aufrechterhielten, während die Nonnen das Haupthaus kaum verließen, wo sie in völliger Kontemplation lebten und ihre Tage mit Gebet und Andacht verbrachten. Mit einem solchen, offenbar wenig sensiblen Laien hatten sie es nun also zu tun. Doch das scherte Crispin nicht. Ihm war gleich, wie dieser Mensch sprach, vielmehr erschreckte ihn, was er da gesagt hatte.
» Sie sterben? « , fragte er entsetzt.
» Ja. Rauswerfen müsste man sie, aber das wollen die mildtätigen Schwestern nicht. Aber weitere Fremde einlassen werden wir nicht mehr. Schert Euch also zum Teufel! «
Und damit war die Klappe zu.
Crispin wandte sich verwirrt nach Regino um. Auch dieser zuckte bloß sprachlos mit den Schultern.
Erneut begannen sie dann beide gegen die Pforte zu klopfen und zu treten. Doch es rührte sich nichts. Erst nach einer ganzen Weile verzweifelten Lärmmachens zeigten sich die missmutigen Augen wieder.
» Verschwindet! «
» Halt! « Noch bevor die Luke wieder geschlossen werden konnte, hatte Crispin seinen Arm hindurchgesteckt und nach dem Hals desjenigen gegriffen, der dahinterstand. Dieser wehrte sich nach Kräften, konnte aber nichts gegen den festen Griff ausrichten.
» Wo ist Konrad? « , zischte Crispin.
» Weiß nicht « , stammelte der Wärter.
» Wer stirbt? «
» Die Leute, die er mit sich gebracht hat. Das Lumpenpack. «
» Woran sterben sie? «
» An einem stinkenden Fieber. « Der andere bekam kaum mehr Luft, die Augen quollen schon gefährlich aus dem Kopf, sodass Crispin seinen Griff ein wenig lockern musste.
» Wie viele sind tot? «
» Drei. «
» Wer sorgt sich um sie? «
» Niemand, denn die alte Hexe lässt keinen ins Gästehaus. «
» Maja. Er meint meine liebe, gute Maja « , flüsterte Regino von hinten.
» Schick die Überlebenden raus. Sofort. Und dann steckt in Brand, wo sie gehaust haben. Alles « , stieß Crispin hervor.
» Du bist doch wahnsinnig « , stammelte der Gewürgte.
» Schick sie raus « , wiederholte Crispin. Dann ließ er los und zog seine Hand schnell genug aus der Luke, bevor diese sich rasch wieder schloss. Ein Husten und Fluchen war hinter der Pforte zu vernehmen. Dann hörte man, wie sich Schritte entfernten.
» Das Sterben hat deine Leute erreicht, Regino « , sagte Crispin, sich die Hand reibend, an den noch immer verwirrten Gaukler gewandt.
» Welches Sterben? « , fragte dieser schließlich bibbernd.
» Das große Sterben, welches in Messina begann. Ich habe dir in den vergangenen Tagen doch davon erzählt. Es breitet sich aus. «
Sie warteten.
Die Stunden vergingen. Nichts tat sich. Nicht einmal Händlerkarren oder Heuwagen passierten das Klostertor. Regino hatte sich ins feuchte Gras gesetzt und sang leise ein Lied nach dem anderen, während Crispin immer nervöser wurde.
Im Grunde hatte er an diesem Ort nichts mehr zu suchen. Konrad war längst fort von hier. Aber dennoch wollte Crispin mit den Leuten aus Reginos Wandergesellschaft sprechen, um herauszufinden, was genau sich in den letzten Tagen ereignet hatte und wo man nach dem verschwundenen Konrad suchen könnte. Hoffentlich war diesem nicht eingefallen, die Rückreise zur Marienburg anzutreten, wo sich seine mächtigen Feinde längst beim Hochmeister eingenistet hatten und nur darauf warteten, den verhassten Ritter zur Verantwortung zu ziehen. Crispin konnte sich genau ausmalen, wie es zugehen würde. Natürlich würde der Hochmeister Partei für seinen Ordensmann ergreifen, ihn verteidigen, doch auch Heinrich von Dusemer waren Grenzen gesetzt. Er hatte es bei den von Topfens mit einer sehr mächtigen Familie zu tun, deren Einfluss bis tief in verschiedene hohe Herrschaftshäuser hineinreichte. Mit diesen Leuten verscherzte man es sich nicht. Konrad müsste ihnen geopfert werden, das stand fest. Im glimpflichsten Falle käme er mit einer Ächtung davon und würde in die strenge Klausur eines fernen Mönchsklosters verbannt, wo er den Rest seines Lebens eingesperrt in einer Zelle in verschwiegener Demut verbringen müsste. Besser war es, man erklärte ihn für tot. Gestorben an der Pest, der sie in Italien auf ihrer Visitationsreise für den Orden begegnet waren. Und genau diese Notlüge hatte Crispin bereits in die Welt gesetzt.
Doch um sie nicht auffliegen zu lassen, musste Konrad unbedingt gefunden werden, denn es ging nicht an, dass Crispin der ganzen Marienburg von dessen entsetzlichem Pesttod erzählte, und am nächsten Tage stünde Konrad plötzlich
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