Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
nicht heimgesucht, als Ihr die bereits leidende Lagunenstadt erreicht habt. «
» Woher wollt Ihr das wissen? « Konrad starrte die kleine, hutzelige Gestalt mit offenem Mund an.
» Und dann? « , fragte diese nur.
» Dann bekam ich damit zu tun. «
» Gewiss? «
» Die schwarzen Beulen, sie waren da. Ein untrügliches Zeichen. «
» Ihr überlebtet? «
» Ja. «
» Und dann? «
» Zwei meiner Brüder starben. Doch danach hatte es ein Ende. «
» Das ist nicht wahr. Auch unser guter Otto ist der Pestilenz erlegen. Und das arme Mädchen Lisa wird ihr nächstes Opfer sein. «
Konrad kratzte sich verwirrt am Kopf. Er war verlegen und wütend zugleich. » Was wollt Ihr mir damit sagen, Alte? « , fuhr er sie schließlich unter finster zusammengezogenen Brauen an.
» Das Feuer. Es schützt. Man muss das Übel verbrennen. «
» Soll ich mich etwa selbst in Brand setzen, um das Böse zu zerstören, das mir Eurer Meinung nach anhaftet? « Konrad stellte diese Frage in einem nicht ernstgemeinten Tonfall. Maja jedoch reagierte durchaus ernst. Sie nickte, und ihr Blick bohrte sich wieder tief hinein in Konrads Seele.
Ihn fröstelte. Er erhob sich, ging strammen Schrittes an der winzigen Frau vorüber und murmelte zornig: » Du bist es, die auf den Scheiterhaufen gehört, krumme Hexe. «
Auch Marie hatte derweil das Gästehaus verlassen.
Es dunkelte bereits, und der Gruppe in ihrer heimeligen Herberge, in der man unter anderen Umständen so sorglos hätte rasten können, ging langsam das Wasser aus. Konrad hatte ihnen verboten, den Brunnen der Klosterfrauen zu benutzen, obwohl dieser nur wenige Schritte vom Gasthaus entfernt stand. Zwar war der Ritter schon den ganzen Tag über nicht mehr aufgetaucht, aber dennoch richtete Marie sich nach dieser unerklärlichen Regel und ging den weiten Weg bis hinunter zu dem Bächlein, um dort Wasser zu schöpfen.
Dort fand sie Konrad. Er hockte unter einer knorrigen Weide und döste vor sich hin.
Marie hatte in den letzten Tagen aufgehört, sich über diesen Mann zu wundern. Launisch war er und deshalb unberechenbar. Im einen Moment hilfsbereit und fürsorglich, im nächsten wieder reizbar und hitzig. Er konnte laut und fröhlich sein, dann wieder vollkommen zurückgezogen und sogar schüchtern. Ulrich hasste ihn für diese Wankelmütigkeit und scheute sich auch nicht, Konrad diese Abneigung offen spüren zu lassen. Tatsächlich aber hasste er den Ritter, das ahnte Marie längst, weil es ihr, Marie, nicht gelingen wollte, Konrad trotz dessen charakterlicher Mängel ebenfalls zu verabscheuen. Nein, im Gegenteil, je mehr er von sich zeigte, je tiefer sie sein eigentliches Wesen ergründen konnte, desto mehr faszinierte sie dieser Mann.
Er trug nun, nachdem Regino es entwendet hatte, nicht mehr sein Ordenshabit, seine Haare waren ungekämmt, sein Bart wuchs unkontrolliert, und sein ganzes Erscheinungsbild glich jetzt eher dem eines Räubers als dem eines Edelmannes. Doch ebendas gefiel Marie. Je mehr er sich wandelte, desto vertrauter, desto näher wurde er ihr. Und das, ohne dass sie je mehr als zwei Sätze am Stück miteinander gewechselt hatten. Es waren lediglich Blicke, die getauscht wurden. Anfänglich verlegene und schüchterne, aber mittlerweile vertraute, ja selbstverständliche Blicke, die sehr viel mehr sagten als Worte.
Marie ertappte sich dabei, wie sie mit dem leeren Wasserschlauch in der Hand vor ihm stehen geblieben war und ihn beobachtete. Gerade wollte sie sich leise davonschleichen, um zum Bachlauf hinabzusteigen, als er ein Auge öffnete und sagte:
» Und ich dachte schon, die grausige Zauberin sei mir nachgeschlichen und stände nun mit Zündhölzern vor mir, um mich in Brand zu setzen. «
» Meint Ihr etwa Maja? Die ist harmlos « , gab Marie zurück und wollte rasch weitergehen. Doch Konrad hielt sie mit seiner nächsten Aussage zurück:
» Ich werde euch morgen verlassen müssen. «
» Tatsächlich? « Marie versuchte unbekümmert zu klingen.
» Ich bitte Euch, Adelheid zu überreden, doch hier in diesem Kloster zu bleiben. Meine Base, die Äbtissin, ist in das Geschehen eingeweiht und durchaus gewillt, das Mädchen vor seinem unliebsamen Freier zu verstecken. «
» Sie will aber nicht « , entgegnete Marie. Noch immer stand sie mit der alten Schweinsblase in der Hand vor dem gemütlich an den Baum gelehnten Konrad.
» Dieser Lümmel hat ihr den Kopf verdreht, nicht wahr? « , grinste er nun.
» Ihm ist es ernst « , antwortete Marie und
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