Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
bereits unruhig werdendes Ross zu besteigen, als er plötzlich aus dem dichten Nebelschleier drei Gestalten über den verlassenen Hof vor der Kapelle auf sie zukommen sah.
» Besuch, Bruder Arnaud « , rief er nach hinten, wo der Einsiedler in der eigentümlichen Behausung damit beschäftigt war, dem nun ehemaligen Deutschordensritter Konrad von Tiefenbrunn, welcher ebenfalls seine Abreise vorbereitete, ein Säcklein mit Proviant zu schnüren.
Der Eremit schritt nach draußen, und nun schauten sie zu dritt auf die anderen drei Gestalten, die sich ihnen langsam näherten. Man konnte sie in dem grauen, trüben Dunst nur schemenhaft erkennen, doch der Statur nach zu urteilen handelte es sich nicht um Kriegsleute, die womöglich ausgesandt waren, um den flüchtigen Ritter zu fangen.
» Ach, sieh einer an! « , rief Crispin als Erster. Er schien belustigt.
Und auch Konrads Gesicht erhellte sich, als er erkannte, wer da überraschenderweise auf dem Hofe des Eremiten erschien.
» Ich dachte eigentlich, guter Arnaud, bei Euch ein Versteck gefunden zu haben, wo man meiner nicht allzu rasch habhaft werden könnte. Doch wie es den Anschein hat, hätte ich den Ort meiner Bleibe auch gleich auf sämtlichen Marktplätzen des Reiches ausrufen lassen können « , sagte er leise zu dem neben ihm stehenden Einsiedler. Sein Blick jedoch war fest auf einen der drei Menschen gerichtet, die nun vor ihnen zum Stehen gekommen waren.
Auf Marie.
Marie errötete.
Sie hatte sich nach ihrem Aufbruch aus dem menschenleeren Dorf gegen Regino durchgesetzt und ihre beiden Gefährten überredet, einen kurzen Abstecher zu der von dem Pfarrer erwähnten Templerkapelle zu machen. Jeder im Umkreis kannte den dort lebenden Eremiten, und so war es ein Leichtes gewesen, diesen Ort zu erreichen. Allein der Grund, weshalb Marie ihn aufsuchen wollte, war schwerer zu finden als der Platz selbst.
Sie müsse dem Ritter Konrad etwas sehr Wichtiges sagen, hatte sie betont. Doch was sie ihm sagen wollte, das hatte sie Regino und Johann nicht verraten, denn um ehrlich zu sein, wusste sie es selber nicht. Es war ein merkwürdiger Zwang, der sie trieb, hierherzukommen.
Konnte es denn Zufall sein, dass sie von dem tapferen Pfarrer in dem Pestdorf von ebendieser Templerkapelle erfahren hatte, von welcher sie bis dahin gedacht hatte, dass sie lediglich in Majas finsteren Visionen existierte?
Nein. Ein Zufall war es nicht. Es war ein Wink, und diesem Wink wollte, ja, musste Marie folgen. Zumindest redete sie sich das ein.
Dennoch war es schwierig gewesen, Regino zu überreden, der offenbar wenig Lust verspürte, jetzt, da sie die Karte in Besitz hatten, noch einmal den beiden Rittern unter die Augen zu treten. Ihre Hilfe benötigte er nicht mehr, außerdem hatte Konrad ja immer noch ein Hühnchen mit dem Dieb zu rupfen, und davor fürchtete sich Regino besonders. Marie jedoch wollte sich nicht beirren lassen und hatte darauf gepocht, dass immerhin sie es war, die Fips das begehrte Stück abgenommen hatte und somit diesen kleinen Wunsch frei habe. Immerhin lag die Kapelle auf ihrem Rückmarsch zu der Unterkunft ihrer verbliebenen Reisegesellschaft. Sie mussten also keinen Umweg in Kauf nehmen.
Und nun standen sie da.
Sie standen einander gegenüber.
Regino blickte verlegen auf den Boden.
Johann war zu müde und zu traurig, um irgendeine Reaktion zu zeigen, und Marie errötete.
Dann riss sie sich zusammen, ging zwei Schritte vor und sagte mit fester Stimme: » Ich denke, dass es für Euch von Interesse ist, Ritter Konrad und Ritter Crispin, dass in einem nahen Dorf die Pest keinen einzigen Einwohner verschont hat. Keinen, bis auf den Pfarrer und ein zweijähriges Kind. «
Sagte es, ging wieder zwei Schritte zurück und wartete ab.
» Sie ist also tatsächlich angekommen « , meinte Arnaud, der Eremit, während Konrad und Crispin schweigend Blicke tauschten.
» Seid ihr etwa die einzigen Überlebenden eurer Gruppe? « , fragte Konrad nach einer ganzen Weile.
» Nein, die anderen warten unweit von uns « , antwortete Johann.
» Ich vernahm bereits durch meinen Bruder Crispin, dass Fräulein Adelheid es unvernünftigerweise vorzog, nicht im Kloster Marienthron zu bleiben… « , sagte Konrad. Seine Stimme klang dabei nachdenklich. Marie, die ihn klopfenden Herzens nicht aus den Augen ließ, fragte sich, welche Schlussfolgerung er nun aus dieser Aussage ziehen würde. Immerhin handelte es sich bei Adelheid sozusagen um Konrads Schutzbefohlene.
Nach einer
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