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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Sie schmeckte nach modrigem Laub, aber dennoch gut. Er war froh, dass sie nicht in dieser pestverseuchten Scheune geblieben war, so wie Adelheid. Marie lebte, sie war gesund– noch war sie gesund, und er hoffte inständig, dass dies so blieb. Wäre er vor die Wahl gestellt worden, das Leben dieses einfachen Bauernweibes oder das des edlen Stiftsfräuleins zu retten, er hätte sich für Marie entschieden. Doch vielmehr war es am heutigen Tage sie gewesen, die ihm das Leben gerettet hatte. Todesmutig war sie auf die wütenden Bauern zugegangen. Und Konrad fragte sich, was der Grund für dieses beherzte Handeln gewesen war. Unwillkürlich musste er ein wenig lächeln, als er darüber nachdachte, und spürte bald darauf ihre Lippen auf seinem Mund. Es war ein schöner, salziger Kuss, den sie ihm gab, sie hatte offenbar leise geweint. Konrad nahm sich die Mooskissen von den Augen, um Marie anzuschauen, doch diese war bereits wieder aufgestanden, wischte sich die Tränen ab und meinte:
    » Wir müssen gehen und die beiden anderen finden. Johann ist schwer verletzt. «
    Adelheid hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie sich befanden.
    Noch nie in ihrem Leben war sie vollkommen auf sich allein gestellt gewesen. Immer war jemand an ihrer Seite, der sie beschützte. In ihrer jüngsten Kindheit hatte sie auf die Nähe und Wärme ihrer Amme vertrauen können, später dann auf treue Dienstleute und natürlich auf ihren Vater, sowie auf ihren geliebten Bruder Friedrich, und im Stift zu Quedlinburg waren es die Mitschwestern und die strenge, aber gütige Äbtissin gewesen, die immerzu ein Auge auf die zarte, so verletzlich wirkende Adelheid hatten. Selbst in den letzten Wochen, in denen sie auf der Flucht war und sich dieser sonderbaren Gruppe angeschlossen hatte, war stets jemand in ihrer Nähe gewesen, dem sie vertraute: Sei es Elisabeth, sei es Johann oder der Ritter Konrad gewesen. Und auch, nachdem Johann, Regino und Marie nach Halle aufgebrochen waren, und Adelheid zusammen mit der Greisin Maja, dem sturen Ulrich und der trauernden Anna in einer Scheune zurückgeblieben war, hatte das junge Fräulein sich sicher gefühlt. Es war die findige Maja gewesen, die ihr dieses Gefühl von Schutz und Geborgenheit vermittelt hatte.
    Doch jetzt war Maja fort. Sie waren getrennt worden, nachdem die Einwohner des Einödhofes, auf dem sie rasten durften, plötzlich der Meinung waren, die Gäste hätten vergiftetes Essen an sie verschenkt. Drei in dem großen Bauernhaus lebende Kinder und ein Greis waren kurz nach Eintreffen der Fremden erkrankt. Es war Adelheid selbst gewesen, die mit den Kleinen im Hofe gespielt und ihnen Konfekt aus dem Vorrat der Nonnen zum Naschen gegeben hatte. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass diese Süßigkeiten schlecht gewesen waren. Dennoch, zwei der Kinder starben alsbald, und der Zorn der trauernden Großfamilie richtete sich daraufhin auf die Fremden in der Scheune.
    Mit Fackeln standen sie eines Nachts in der Türe. Sie riefen Verwünschungen aus, fielen über Maja her, die sie als Zauberin bezeichneten, zerrten die Alte mit Gewalt ins Freie und nahmen auch Ulrich mit, da sie ihn als den einzig zurückgebliebenen Mann für den Anführer dieser todbringenden Gemeinschaft hielten. Anna und Adelheid blieben in der Scheune, sie wurden von zwei düster blickenden Frauen bewacht. Es waren schreckliche Stunden. Erst in der Morgendämmerung, als die beiden Frauen zu zwei kranken Familienmitgliedern, die immer noch dahinsiechend im Haupthaus lagen, gerufen wurden, konnten Anna und Adelheid fliehen. Seither waren sie unterwegs.
    Allein.
    Zunächst hatte Adelheid sich auf Anna verlassen. Das Mädchen war in der Natur groß geworden, sie kannte sich gut aus, konnte Pfade ausmachen, wo Adelheid lediglich Gestrüpp und Dornen erblickte. Doch wohin sie diese Pfade führten, das wusste auch Anna nicht. Sie liefen und liefen. Meile über Meile.
    In einer kleinen Aschenbrennersiedlung wollten sie um Nahrung bitten, doch die Gegenleistung, die dafür von ihnen verlangt wurde, war ihnen zu groß. Wieder rannten sie davon und mieden von da an Dörfer und Siedlungen. Am dritten Tage ihrer Flucht wurde Anna plötzlich ganz schwach. Ihre Augen glänzten, sie konnte sich kaum auf den Beinen halten und schwitzte entsetzlich.
    Seit dem gestrigen Morgen waren sie keinen Schritt mehr gegangen. Sie lagerten zurzeit in einer verlassenen Köhlerhütte im Wald, die jedoch in einem solch schlechten Zustand war, dass der Regen wie

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