Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
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» Das weiß ich nicht mehr. « Crispin kostete schlürfend von dem verblüffend wohlschmeckenden Eintopf. » Eine andere Frau, Marie mit Namen, war hingegen wohlauf « , fügte er schließlich hinzu und schmunzelte leicht hinter dem Becher, welchen er wieder an die Lippen setzte.
Konrad ließ sich daraufhin auf seine Bank zurückfallen und musterte seinen Freund kritisch. Dieser Crispin schien ihn durchschauen zu können wie venezianisches Glas.
» Es wird nicht bei den drei Toten bleiben « , sagte nun Arnaud. Er sprach mit sehr leiser, aber sehr deutlicher Stimme, welcher man noch gut seine okzitanische Herkunft anhörte. » Die Menschen in ganz Europa müssen sich auf eine Heimsuchung größten Ausmaßes vorbereiten. Es hat keinen Sinn, nach Schuldigen zu suchen. Diese Geißel Gottes findet auch ohne menschliche Hilfe ihren Weg, und nicht einmal unser inständigstes Beten und Bitten kann sie daran hindern. «
» Das fürchte auch ich, Bruder Arnaud « , bestätigte Crispin die Worte des Eremiten.
» Dennoch muss man hinaus und die Menschen warnen, damit sie sich auf die Schreckenszeiten vorbereiten können « , riet der Einsiedler nun.
» Aber der Pesthauch! Ich glaube fest daran, dass er von einem Menschen auf den anderen übergehen kann. Man sollte, wenn man bereits mit dieser Seuche zu tun hatte, niemanden in Gefahr bringen « , entgegnete Crispin, auf seine Erkenntnisse als Heiler pochend.
» So wie ich andere in Gefahr gebracht habe. Darum sitze ich nun hier in Klausur bei unserem guten Bruder Arnaud, der mir trotz meines Schicksals als irdischer Sensenmann todesmutig Obdach gewährt « , gab Konrad bissig zum Besten und lächelte leicht zu Crispin herüber, der diese Aussage nur wenig lustig fand.
» Bruder Konrad ist gefeit. Die Pest wird ihm nie wieder etwas anhaben können. Er kann hinaus in die Welt. Er ist kein Träger des Hauchs. Ganz gewiss ist er es nicht « , unterstützte der Einsiedler nun auf ernsthafte Weise die ironischen Worte Konrads.
» Ich zweifle nicht an Eurem Wissen, weiser Bruder Einsiedler. Aber dennoch frage ich mich, wie Ihr Euch da sicher sein könnt. Seitdem wir aus Italien aufgebrochen sind, ist die Pest unser Begleiter. Zwei Brüder haben wir verloren, und auch weitere Menschen, mit denen Konrad in Berührung gekommen ist, sind elendig zugrunde gegangen « , meinte Crispin streng.
» So wie überall Menschen zugrunde gehen und zugrunde gehen werden « , sagte Arnaud. » Aber in einem habt Ihr recht, Bruder Crispin: Wenn Ihr es für vernünftig erachtet, sich zurückzuziehen und die Gegenwart von anderen Menschen zu meiden. Denn damit, so denke ich, ist zumindest das eigene Überleben gesichert. Doch ist das unsere Aufgabe als Diener Gottes? Sollen wir es tatsächlich dem Papst gleichtun und allein darauf bedacht sein, das eigene irdische Fortbestehen zu bewahren, indem wir uns von der kranken Welt absondern? Ich weiß, dass ausgerechnet ich als Sonderling so nicht sprechen sollte. Aber in Zeiten wie denen, welche nun auf uns zukommen, sollte es unsere Pflicht sein, uns auf einen der ursprünglichen Hauptwerte unserer beider Orden zu besinnen: Und das ist der des Helfens und Heilens. «
» Ich werde trotz aller widrigen persönlichen Umstände zur Marienburg zurückkehren. Es gilt die Menschen unseres Hoheitsgebietes zu warnen und auf das vorzubereiten, was auch uns gewiss bald mit sehr viel größerer Wucht als bisher ereilen wird « , ergänzte Konrad die Worte des Einsiedlers. Er hatte seit seiner Ankunft bei Arnaud ausführlich mit diesem gesprochen und war wie er der Meinung, nicht weiter tatenlos aus einem Versteck heraus zuzusehen, wie der Tod sich übers Land legte.
Crispin atmete lange vernehmlich aus, stellte dann seinen leeren Becher auf den Tisch und blickte Konrad tief in die Augen: » Die widrigen Umstände, die deine Person betreffen, haben sich verstärkt, mein Freund. Das ist der eigentliche Grund für meine Suche nach dir. Ich glaube, ich kann es frank und frei auch vor Bruder Arnaud sagen. «
Dann erhob er sich feierlich, ganz so, als ob er einen Richterspruch über Konrad fällen wollte: » Solltest du ins Ordensland zurückkehren, Konrad, so wird das Schafott auf dich warten. Der junge Ritter, den du bei den Litauern zurückgelassen hast, er wurde von diesen gefangen und bei lebendigem Leibe verbrannt. Man ist mehr als wütend auf dich, und darum ist unser treuer Graumäntler Walter auch nun mit der Nachricht an den Hochmeister unterwegs, dass
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