Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
du, mein guter Freund … « , wieder schnaubte Crispin, als wäre er soeben in voller Rüstung neben einem galoppierenden Pferd hergerannt, » …dass auch du bedauerlicherweise an der Pest verstorben bist und somit deiner gerechten Strafe durch den Henker nicht mehr zugeführt werden kannst. «
Schweigen.
Langes, betretenes, erstauntes Schweigen.
Der ehemalige Tempelritter Arnaud war der Erste, der es brach. Trocken erklärte er: » Willkommen in der Gemeinschaft der verfolgten und ausgestoßenen Kreuzritter, Bruder Konrad. Seid getrost: Es hat auch durchaus seine guten Seiten. «
Damit schenkte er ihnen allen eine weitere Kelle Sud nach, während Konrad Crispin dankbar und entsetzt zugleich anstarrte.
» Wohin gehst du? «
» Ich weiß es nicht. «
Es war ein trister Tag. Längst hätte der Sommer kraftvoller sein müssen, doch er hatte erst durch wenige Sonnenstunden auf sich aufmerksam gemacht und schien den Kampf gegen Kälte und Nässe nun vollkommen aufgegeben zu haben. In der Nacht hatte es sogar Frost gegeben, und tagsüber wollte es nicht zu nieseln aufhören. Ein kräftiger, kurzer Regenguss, gefolgt von einem heftigen Gewitter, wäre Konrad lieber gewesen, denn dieses stete nasskalte Grau war ihm ein Gräuel. Dennoch, die Zeit zum Aufbruch war gekommen. Crispin musste zurück zur Marienburg, und auch Konrad wollte sich nicht länger in der kleinen steinernen Kapelle des TemplerEremiten verbergen.
» Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll. Wohin zieht es einen Totgesagten in der Regel? Ich habe keine Ahnung « , scherzte Konrad, während er den Blick von Crispins traurigem, mitleidigem Gesicht abwandte.
» Nimm wenigstens mein Pferd. Ich werde mir in der nächsten Ordenskommende ein neues besorgen « , schlug Crispin ihm vor. Er hatte wiederholt versucht, dem mittellosen Freund seine materielle Unterstützung anzubieten. Doch Konrad war zu stolz, um anzunehmen.
» Wenn man einen solch heruntergekommenen Kerl wie mich auf einem derart edlen Tier erwischt, dann knüpft man sofort einen Strick. « Konrad lachte gequält.
Auch auf seinen Habit, den Crispin von Regino zurückerhalten hatte, wollte Konrad lieber verzichten. Schwert und Ross waren dem Dieb angeblich selbst gestohlen worden, und auch alles Geld war verschwunden. So zumindest hatte Regino es Crispin erzählt, und Letzterer verfügte selbst nur mehr über ein winziges Säckchen mit Silbermünzen, von denen Konrad nur zwei annehmen wollte, da auch der Freund einen langen Rückweg vor sich hatte.
» Bevor ich es vergesse « , meinte Konrad und griff unter sein schlichtes Wams. » Dies ist der Ring unseres verstorbenen Sariantbruders Bertold. Schicke ihn an seine Familie und veranlasse, dass hundert Seelenmessen für ihn gelesen werden. «
Crispin war ratlos: » Wir haben ihn doch begraben. Woher hast du diesen Ring? «
» Ich will darüber nicht nachdenken « , winkte Konrad ab. » Es macht mich bloß wieder wütend. Einem Grabschänder, der es wagte, sich in Bertolds Mantel zu kleiden, habe ich ihn abgenommen. «
Crispin nahm den Ring, schloss die Augen und versank in ein stilles Gebet.
Konrad hingegen wurde unruhig. Wann würde Crispin endlich fortreiten? Musste man diesen Abschied denn so lange hinauszögern? Quälend war es für ihn, den ehemaligen Anführer ihrer gemeinsamen Reise, jetzt auf die Hilfe und die Almosen seines Mitbruders angewiesen zu sein. Und nicht nur das, er verdankte sein Leben der Lüge dieses so vorsichtigen, frommen Mannes, der bereits in den fernen Alpen seine eigene Gesundheit aufs Spiel gesetzt hatte, als er dem an der Pest erkrankten Konrad tagelang beigestanden und dessen Lager bewacht hatte.
» Gibt es einen Ort, an dem ich dich finden kann, falls sich in naher Zukunft die Wogen glätten? « , fragte Crispin, nachdem er sein Gebet beendet hatte. Ihm war einfach nicht wohl dabei, den Freund nun so nackt und ziellos zurückzulassen.
Konrad schüttelte den Kopf: » Ich weiß ja nicht einmal, wie ich mich vom heutigen Tage an nennen soll. Aber mach dir keine Sorgen, guter Freund, es wird mir irgendwie gelingen, auf dem Laufenden zu bleiben. Und wer weiß, vielleicht werde ich eines Tages tatsächlich von den Toten auferstehen und wieder im Ordensland erscheinen. «
» Aber lass mich dann nicht wie einen elenden Lügner aussehen « , lachte Crispin, doch das Lachen blieb ihm im Halse stecken.
» Jetzt verschwinde schon. « Konrad wies Crispin gerade mit einer auffordernden Handbewegung an, endlich sein
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