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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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war der Bursche bei Konrad angelangt. Alles ging furchtbar rasch. Mit seinem Kurzschwert in der Hand baute Johann sich kurz vor dem Ordensritter auf, blickte ihm zornig und enttäuscht in die Augen, und dann tat er es. Aus den Tiefen seines Rachens holte er alles hervor, was sein Körper dort vorrätig hatte, und spie Konrad mitten ins Gesicht.
    Die anderen ließen ihre Schwerter sinken und begannen allesamt schallend zu lachen. Konrad wischte sich den Schleim aus den Augen und von der Nase.
    » Gib gut auf sie acht « , sagte er bloß mit ruhiger Stimme zu dem wütenden Jungen. » Und jetzt geh wieder hinein. Bitte, Johann, geh wieder hinein. «
    Noch immer zornig, aber dennoch verstört und irritiert zugleich, tat Johann, was Konrad ihm sagte. Mit gesenktem Kopf schritt er langsam zurück zum Wirtshaus, dessen Türe er krachend hinter sich zuschlug.
    Konrad blickte ihm traurig nach und schaute ein letztes Mal auf ein schwach beleuchtetes, kleines Windloch im Obergeschoss des Gebäudes. Dort schlief sie.
    Er seufzte und hielt schließlich freiwillig seine Hände dem Bärtigen entgegen, damit dieser ihm die Fesseln anlegen konnte.

XXXIV
    E s gibt da eine heidnische Sage von einer weiblichen, bösen Gestalt mit todbringenden Haaren, die aus Schlangen bestehen. Schlägt man diesem Wesen einen seiner vielen Schlangenköpfe ab, so wachsen sie gleich dutzendfach nach. Ähnlich scheint es auch mit diesen hier zu sein. «
    Maja und Ulrich verfolgten den Geißlerzug nun schon seit mehr als einer Woche entlang des nördlichen, recht üppig besiedelten Riesengebirges. Immer wieder mussten sie dabei erleben, wie einzelne aus den Reihen der leidtragenden Geißler starben und gleichzeitig in den schlesischen Ortschaften neue angeworben wurden, sodass die Masse des durch die Lande streifenden, grausig anzuschauenden Zuges trotz zahlreicher Verluste dennoch größer wurde. Auch jetzt standen die beiden erneut vor dem Leichnam einer noch sehr jungen, splitternackten Frau. Sie war übersät mit frischen Wunden, eiterndem Schorf und verheilenden Narben. Zusammengebrochen war sie, und man hatte sie einfach sterbend am Wegesrand zurückgelassen. Der Tod musste schon vor einigen Stunden eingetreten sein, denn ihr dürrer Leib war starr. Steif ragten Hände und Füße in die Luft, in dem geöffneten Mund gingen bereits Ameisen ein und aus.
    Anfangs hatten die zwei Verfolger des Geißlerzuges sich noch die Mühe gemacht, die aufgefundenen Leichen zu verscharren oder wenigstens mit Reisig zu bedecken, doch seit drei Tagen nahm die Zahl der Toten so drastisch zu, dass Maja und Ulrich den Anschluss verpasst hätten, wenn sie damit fortgefahren wären, einem jeden die letzte Ehre zu erweisen. Ein kurzes Gebet musste genügen, denn meist lag schon hinter der nächsten Wegbiegung ein weiterer verstorbener oder sterbender Körper. Somit pflasterten die Klageleute ihren Weg und setzten den beiden Verfolgern makabre Markierungen, die es leichtmachten, ihnen auf den Fersen zu bleiben.
    In einer Dreierkonstellation schritten sie einher. Vorn die Geißler mit ihrem Führer, dahinter, in gebührendem Abstand, Vitus Fips, der dafür sorgte, dass von den im Geiste bereits Jenseitigen keine Dinge von Wert im Diesseits zurückgelassen wurden, und hinter Fips schließlich Maja und Ulrich.
    Es war alles andere als ein angenehmer und schöner Marsch. Zwar schien das Wetter es gut mit ihnen zu meinen, und auch das Tempo der Geißler war angemessen und für die müden Knochen Ulrichs und die alten Beine Majas durchaus erträglich, aber die ständige Konfrontation mit dem Tod machte den beiden zu schaffen und schlug sehr aufs Gemüt. Zumal sich ein anfänglich bloß befürchteter Eindruck nun bestätigt hatte: Die Geißler starben nicht an Mangel und Erschöpfung; nein, etwas anderes, Maja und Ulrich Wohlbekanntes, raffte sie dahin.
    » Die Pest wird schon dafür sorgen, dass die Köpfe unserer Geißlerschar nicht mehr schnell genug nachwachsen können « , ergänzte Ulrich bitter den mythologischen Vergleich seiner Begleiterin und deutete dabei mit dem Finger auf eine schwarze Beule in der Achselhöhle der Toten.
    Maja brummte darauf etwas Unverständliches und hockte sich ganz nahe bei der Leiche nieder, um die Beule, welche angesichts all der Narben, Wunden und blauen Flecken der Geißlerin kaum auffiel, näher in Augenschein zu nehmen.
    » Der schwarze Kreuzträger. Der Schwarze Tod. Vielleicht ist doch Fips und nicht Konrad die Gestalt, die mir in meinen

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