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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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vergangenen Träumen erschienen ist. Der Mann, der den Tod bei sich trägt « , murmelte sie.
    Ulrich mochte es nicht, wenn Maja so sprach. In der letzten Zeit, die sie gezwungenermaßen gemeinsam verbracht hatten, hatte er die Alte gut kennengelernt. Er mochte das Weiblein. Sie war schlau, sogar gerissen, aber dennoch warmherzig und gutmütig. Eine prächtige Frau, wenn man so wollte. Zumindest war sie es gewiss in jungen Jahren einmal gewesen. Es war angenehm, mit ihr zu reisen, und seltsamerweise stritten sie selten, weil jeder die Eigenarten des anderen verstand und hinnahm. Doch sobald Maja damit anfing, von ihren Visionen und Träumen zu reden, löste sich Ulrichs Verständnis für das sonderbare Gebaren seiner Gefährtin in Unmut auf. Dummes Zeug war es seiner Meinung nach, wenn sie behauptete, vor ihrem inneren Auge Dinge zu sehen, die bald geschehen könnten. Er glaubte ohnehin nicht an Zeichen und Wunder, hatte schon immer über die Leute den Kopf geschüttelt, die im Flug der Raben oder in der Formation der Wolken irgendeine zukünftige Bedrohung sehen wollten. Auch das Auftauchen der Bienenschwärme im Wald, welche die Bauern und auch Maja so sehr in den Bann gezogen hatten, hatte Ulrich kaltgelassen. Es war ein Naturereignis ohne Bedeutung, das genauso stattgefunden hätte, wenn sie zu dieser Zeit nicht an diesem Ort gewesen wären.
    Und so ging es ihm auch auf die Nerven, wenn Maja immer und immer wieder darüber nachsann, was es nun mit dem Kreuzträger auf sich hatte, der ihr stets in ihren Träumen erschien. War es nun Fips oder Ritter Konrad? Darüber zermarterte sie sich ihren Kopf. Für Ulrich hingegen stellte sich diese Frage nicht. Seine Meinung war eindeutig: Fips war ein Unheilbringer, ob nun mit Kreuz oder ohne, und Konrad ein Unheilstifter, ob nun mit Kreuz oder ohne. Beide waren sie Gestalten, denen man im Leben besser aus dem Weg ging, aber beide auch nicht so bedeutungsvoll, dass man sie für das Sterben Hunderter, ja vielleicht Tausender von Menschen verantwortlich machen könnte. So wie Maja das gern getan hätte. Diese Pest, die ganz offenbar im Lande wütete, war eine schreckliche Geißel Gottes, vielleicht eine Strafe, vielleicht eine Prüfung, aber ganz gewiss kein von Menschenhand überbrachtes Übel.
    So dachte Ulrich, und er fühlte sich in diesem vernünftigen Denken der abergläubischen Maja sehr überlegen. Niemals hätte er es für möglich gehalten, sich darin zu täuschen, dass diese Krankheit durchaus von Menschenhand übertragen werden könnte.
    » Fips hat den Tod zu den Geißlern gebracht. Er trägt den Mantel mit dem schwarzen Kreuz « , flüsterte Maja, weiter auf die Tote starrend.
    » Wie soll ein Mantel so etwas anrichten? Ist er verzaubert? Vergiftet? Das Einzige, was sich darin tummelt, sind Läuse. Aber so wie ich dich kenne, siehst du selbst in solch winzigen Tierchen eine teuflische Bedrohung, nicht wahr, Maja? «
    Maja antwortete nicht auf diese hämische Frage. Sie erhob sich langsam, schaute Ulrich lange und ausdruckslos an und zuckte dann mit den Schultern.
    » Man kann nie wissen… « , murmelte sie schließlich und zeigte ihm mit einem Wink an, ihr weiter auf dem gemeinsamen Weg zu folgen.
    Sie hatten Fips das letzte Mal kurz hinter einer verlassenen Mühle gesehen, wo er damit beschäftigt gewesen war, das dort gefundene Diebesgut zu sortieren und gleichzeitig seine sich vermehrende Rattenschar an der frisch verstorbenen Leiche eines Geißlers nagen zu lassen. Maja und Ulrich waren, was diesen Mann betraf, längst abgehärtet. Kaum eine seiner widerwärtigen Taten konnte sie noch entsetzen, dazu hatten sie während der vergangenen Tage zu viel beobachten müssen. Fips, das stand für sie beide fest, war ein Ausbund an Niedertracht und Unmenschlichkeit. Nicht nur, dass er Leichen plünderte und sie sogar ihrer Haare beraubte, nein, er verging sich an pestkranken Frauen, bestahl Kinder und empfand offenbar nicht einmal Abscheu davor, selbst den an den Wegkreuzungen am Galgen baumelnden, verwesenden Dieben in die Taschen und in sämtliche Körperöffnungen zu greifen, weil einer wie er nun einmal wusste, wo ein Schurke im Notfall Dinge von Wert verwahrte.
    Einem solchen Monstrum also waren sie auf der Spur, und je länger sie Fips heimlich beobachteten, desto vertrauter wurde er ihnen auf eine seltsame Weise. Was er tat, war abartig und entsetzlich, entbehrte allerdings nicht einer gewissen Konsequenz. Fips blieb sich in seiner Schlechtigkeit treu, und

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