Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
So könnte man sagen « , erwiderte der Wortführer und schaute sogleich in Richtung der engen Stiege, auf die Regino nun wies.
» Da kommt er! Wie gerufen! « , rief der Gaukler freudig aus.
Und tatsächlich: Auf der dunklen, steilen Treppe erschien Konrad. Er wirkte ein wenig verwirrt, das Gespräch mit Marie bereitete ihm noch Kopfzerbrechen. Wie ein unerfahrener, dummer Trottel hatte er sich aufgeführt. Warum musste es bloß so schwierig sein, mit einer Frau zu reden? Und weshalb fand er, der es sogar gewohnt war, mit den Großen des Reiches Verhandlungen zu führen, einer einfachen Bauernfrau gegenüber nicht die richtigen Worte? Konrad verstand es nicht, und er wollte es auch gar nicht verstehen. Vielmehr freute er sich nun auf ein kühles Bier und auf die unkomplizierte Gesellschaft von Männern.
Mitten auf der Stiege hielt er kurz inne, um sich in der Schankstube umzuschauen. Er wollte sehen, ob Regino und Johann noch an ihrem Platz saßen, von dem Konrad vor einiger Zeit aufgestanden war, um nach Marie zu schauen. Doch sein Blick traf nicht den des Gauklers und des Bauernjungen, die ihm beide freudig zuwinkten.
Nein, Konrads Blick traf ein Wappen. Ein ganz bestimmtes Wappen. Es war ihm bekannt und in schmerzhafter Erinnerung, denn ebendieses Zeichen hatte der Bursche auf seinem Schild geführt, den er im letzten Sommer bewusstlos und blutend der Wut der Heiden überlassen hatte. Und dieses Wappen nun zeigte sich gleich mehrfach auf der Brust von fünf Männern, die zusammen mit Johann und Regino am Tisch saßen und ihre volle Aufmerksamkeit auf Konrad richteten. Anders als die beiden Freunde lachten diese fünf nicht. Ihre Gesichter waren starr, abwartend, und Konrad konnte erkennen, dass ein jeder von ihnen eine Hand unter dem Tisch an seine Waffe gelegt hatte.
Es war also so weit.
Ihm blieb nicht viel Zeit zu überlegen. Ein oder zwei Sekunden verharrte er da auf der morschen Stufe der Stiege und dachte nach. Mehrere Möglichkeiten standen ihm offen.
Er konnte einfach kehrtmachen, oben aus einer der Dachluken springen und wie ein Strauchdieb davonlaufen.
Er konnte auch zu ihnen hinuntergehen und wie ein ganzer Mann gegen sie kämpfen. Ohne Waffe allerdings, denn außer einem kleinen Dolch trug er nichts bei sich.
Oder aber er stellte sich.
Kurz drehte Konrad sich um und sah nach oben in den dunklen Gang des oberen Stockwerks. Dort hinter einer der niedrigen Holztüren saß sie und trug sein Kind unter dem Herzen. Was würden sie mit ihr anstellen, wenn er einfach das Weite suchte und sie hilflos zurückließe? Was würden sie mit ihr anstellen, wenn er sich gegen sie zur Wehr setzte und den Kampf gegen fünf bis an die Zähne bewaffnete Männer verlor?
Konrad atmete tief durch, dann setzte er seinen Weg nach unten fort. Langsam ging er auf den Tisch zu, an dem die sieben Männer weiterhin gespannt auf ihn warteten. Er überhörte die freundlichen Begrüßungsworte Reginos und übersah das lachende Gesicht Johanns. Konrad stellte sich gerade und aufrecht vor den Tisch, lächelte und sagte, dem Blauäugigen fest in die stechenden Augen blickend:
» Ich bin so weit. Gehen wir. «
Regino war sprachlos, und auch Johann wusste nichts zu sagen.
So mir nichts, dir nichts waren alle fünf Reiter aufgestanden, hatten eine Handvoll Münzen auf den Tisch geworfen und dann das Wirtshaus verlassen. Und Konrad war mit ihnen gegangen. Kein Wort des Abschieds, nicht einmal ein Blick. Aus dem Staub gemacht hatte er sich. Einfach so.
» Ein Drückeberger « , murmelte Johann schließlich enttäuscht. Er hatte es schon geahnt, nachdem Konrad so wenig freudig auf die Schwangerschaft Maries reagiert hatte. Dieser Ritter war offensichtlich nicht in allen Dingen des Lebens ein ehrenhafter Mann. Nicht, wenn es um Frauen ging, und nicht, wenn es die Freundschaft zu unstandesgemäßen Leuten wie ihn und Regino betraf. Diese Erkenntnis schmerzte.
» Was tust du? « , rief Regino, als Johann plötzlich aufstand und wie von einem ganzen Wespenschwarm gestochen hinaus in die Nacht lief.
Dort draußen standen sie und sattelten ihre Rösser. Konrad war bei ihnen, auch er erhielt ein Pferd. Rasend vor Wut lief der Bursche auf ihn zu.
» Nein, Johann, bleib, wo du bist! « , schrie ihm Konrad entgegen, doch es war zu spät. Schon zückten zwei der fünf Reiter ihre langen, im Mondlicht glänzenden Schwerter, und auch Johann griff nach seiner im Vergleich lächerlichen Waffe. Noch bevor einer der Männer zuschlagen konnte,
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