Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Lebenszeichen wahrzunehmen.
Ein schwacher Lichtschein erfüllte nun den Kerkerraum, der durch eine schmale Gittertüre vom nahen Gang getrennt wurde. Erwartungsvoll blickte Konrad dem Licht entgegen. Die Schritte kamen näher, jedoch nur langsam. Ein leises Fluchen war zu vernehmen.
Der Wärter?
» Mausetot « , konnte Konrad nun verstehen. Und nach diesem Wort hörte er einen dumpfen Laut, ganz so, als habe jemand gegen etwas Großes, Schweres getreten, einen Mehlsack etwa, oder aber einen leblosen Körper.
» Was für ein elendes Höllenloch « , vernahm er jetzt.
» Was? « , krächzte Konrad heiser, kaum vernehmlich, fast stumm. » Was? « , wiederholte er im gleichen Ton. Er richtete diese Frage an sich selbst, denn er konnte es nicht fassen.
Nein, es war nicht wahr.
Ein Traumgespinst.
Viel zu schön, um wahr zu sein.
Und dann quälte ihn dieser Traum auch noch weiter. Er ließ noch mehr Freude und Hoffnung in ihm aufkeimen, denn die wohlbekannte Stimme, die das Licht gebracht hatte, rief auf einmal seinen Namen:
» Konrad! Konrad! Bist du hier irgendwo? «
» Crispin! « , krächzte Konrad. Doch seine Stimme war zu ungeübt, zu eingerostet, um sich vernehmlich bemerkbar machen zu können.
Stattdessen begann Konrad verzweifelt mit seinen Ketten zu rasseln. Er bewegte sich wie ein Irrer, sein Gesicht verzog sich dabei zu einer lachenden Grimasse, und immer wieder stieß er heiser den Namen seines Freundes aus.
Das Licht kam näher.
Eine Gestalt erschien vor dem Gitter.
Eine Fackel wurde durch die Eisenstäbe in den ausgeschachteten, winzigen Raum gehalten und beleuchtete Konrad sowie die zahlreichen toten Mäuse und Ratten, die dort auf dem Boden lagen.
» Konrad? Bist du es? « , fragte die Stimme erstaunt.
Es war in der Tat sein alter Freund Crispin. Ohne Ordenshabit, aber noch immer mit dem gleichen strengen, aber gütigen Gesicht, der gut rasierten Oberlippe und dem spitzen, nach vorne stehenden Kinnbart. Es war Crispin. Doch während Konrad den Freund sofort erkannte, musterte dieser den Gefangenen noch eine ganze Weile in stillem Entsetzen, bevor er schließlich sagte:
» Du siehst grässlich aus, Konrad von Tiefenbrunn, aber du lebst. Hab ich dich gefunden! «
Mit diesem einem Jubel gleichenden Ausruf verschwand Crispin kurz wieder im Gang. Konrad hörte erneut diesen dumpfen Tritt gegen etwas Lebloses, dann ein Klirren, das nur von einem Schlüsselbund herrühren konnte, und schon war Crispin wieder da und öffnete das Verlies.
» Du zäher Bursche, du! « , lachte er und wollte Konrad gerade fest umarmen, schreckte aber vor dessen abgemagertem, schwachem Körper und dem mit Rattenblut verschmierten Gesicht zurück. Vorerst. Dann griff er den Freund doch bei den knochigen Schultern und drückte ihn lange an sich.
» Die Pest. Sie ist hier auf Burg Topfen. Alle sind sie tot oder geflohen. Von Topfen selbst liegt, bereits von Maden zerfressen, in seinem Bett. Überall finden sich Leichen von Menschen und Tieren. Deinen Wächter hat es gleich hier vor deinem Verlies erwischt. Nur du, du alter Lump, sitzt noch atmend in deiner gemütlichen Wohnstube und erfreust dich des Lebens. Gütiger Gott, wie froh bin ich, dich endlich gefunden zu haben! Allerorten wütet es in dieser Gegend. Die Überlebenden werden zu Rasenden. Der Tod geht um, Konrad. Aber er hat auch etwas Gutes. So schlimm diese Seuche ist, sie hat es mir erleichtert, dich hier ohne Weiteres herauszuholen. Während du offenbar vor diesem Übel gefeit bist, sind deine Feinde dahin. Allesamt. «
» Ich glaube es nicht « , flüsterte Konrad heiser. Tränen traten ihm in die Augen. » Ich glaube es nicht. Du bist wirklich da? Ich bin frei? «
» Wir beide sind nun frei. Vogelfrei sogar « , lachte Crispin und begann mit der mühseligen Arbeit, Konrad von seinen Ketten zu befreien.
XXXV III
D a! Da ist es! Da ist es! «
Regino führte inmitten des wuchernden Unterholzes, welches selbst für eine Kröte kaum Platz zum Vorwärtskommen bot, einen Veitstanz auf. Er hüpfte in die Höhe, schleuderte die Arme durch die Luft, riss dabei Blätter und ganze Zweige von den Bäumen und jubelte wie ein Kind, das beim Versteckdichspiel gewonnen hatte.
» Sei still. Du machst ja noch alle Leute auf uns aufmerksam « , ermahnte Ulrich ihn in gewohnt griesgrämiger Manier. Er war der Nächste, der sich zu der verheißungsvollen Stelle durchgekämpft hatte. In den Wochen nach der Rückkehr zu dem Rest ihrer Gruppe hatte er zu seiner alten
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