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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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eine Erlösung und nahezu schon willkommene Abwechslung, wenn von Topfen durch Fackelschein seinen provokativen Besuch ankündigte. Und auch das schimmelige Brot und das faulige Wasser, welches der Wärter dem Verhungernden hin und wieder brachte, stellte nahezu ein Freudenfest für Konrad dar.
    Ansonsten herrschte Stille, absolute Düsternis und Stille. Allein das Rascheln der Ratten und Mäuse in dem seit Jahrzehnten nicht gewechselten und vom Unrat vorheriger Kerkerinsassen verunreinigten Stroh war zu hören. Nicht einmal die Geräusche aus der über ihm trutzenden Burg drangen in dieses Verlies, welches so tief in den Berg gegraben war, dass Konrad glaubte, der Weg zur Hölle dürfte gewiss nicht mehr weit sein.
    Der Hunger und auch die Kälte brachten mitunter jedoch schöne Momente mit sich. Sie lähmten den Körper und versetzten ihn in einen Zustand, der dem Tod sehr nahekam und Konrad in wunderbare Traumgefilde entführte.
    Dann war er wieder bei ihr. Bei der Frau, nach deren Nähe er sich so sehr zurücksehnte. Er baute für sie und ihren gemeinsamen Sohn eine Hütte inmitten eines blühenden, duftenden Frühlingswaldes, geschützt vor allen Unbilden des Lebens. Die Vögel zwitscherten, die Sonne lachte, und Konrad war frei. Befreit nicht nur aus diesem Kerker, sondern befreit auch von der Bürde seines Ordens.
    Doch das waren nur Träume.
    Erwachte Konrad, dann musste er daran denken, wie es ihr jetzt wohl tatsächlich erging.
    Gewiss hasste sie ihn. Sie hielt ihn für einen Lump, einen Taugenichts und Feigling, der vor einer schwangeren Frau Reißaus genommen hatte. Und nichts anderes war er. Vielleicht, so gestand er sich in der langen Zeit, die er zum Nachdenken hatte, ein, vielleicht hätte er tatsächlich Reißaus genommen, wenn die Mannen des Grafen nicht erschienen wären, um ihn zu holen. Ja, vielleicht hätte er Marie eines Tages grundlos verlassen. Er traute es sich selber zu. Doch jetzt, da er hier saß, angekettet, fest verankert in der nasskalten Mauer eines stinkenden Verlieses, jetzt wünschte er sich nichts sehnlicher als die Nähe ebendieser Frau. Mir sind die Ketten des Feindes lieber als die eines Weibes, so hatte er in früheren Zeiten stets vollmundig getönt und war sich dabei sehr tapfer und stark vorgekommen. Doch es war nichts weiter als Angst gewesen, Angst vor dem Eingeständnis der eigenen Schwäche. Aber war es denn tatsächlich eine Schwäche, ein Weib zu lieben und das Bedürfnis zu empfinden, bei ihr zu sein?
    Zu spät.
    Es war zu spät, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Konrad würde Marie und ihr gemeinsames Kind nie wiedersehen. Von Topfen hatte vor, ihn in diesem Loch elendig verrecken zu lassen, und das würde ihm in den nächsten Tagen gelingen.
    Immer geringer wurden die Rationen, mit denen der Gefangene versorgt wurde, und auch die Besuche des Grafen nahmen ab. Konrad konnte es nicht genau sagen, aber er hatte das Gefühl, dass der Graf nun seit wenigstens fünf Tagen nicht mehr bei ihm gewesen war. Und auch der Wärter ließ sich nicht blicken. Kein Fackelschein, kein verrottendes, stinkendes Wasser. Das Todesurteil war demnach gesprochen, und es lautete Tod durch Verhungern. Denn Durst litt Konrad nicht, die feuchten Wände des Verlieses spendeten genügend Feuchtigkeit, die sich leicht mit der Zunge ablecken ließ. Eklig schmeckte es, aber bei Weitem nicht so eklig wie das rohe Fleisch der Ratte, die Konrad in seiner Not an diesem Tage gegessen hatte. Er hatte ihren leblosen Körper zwischen seinen nackten Zehen gespürt und es nach Stunden mühseliger Verrenkungen geschafft, den Kadaver mit Hilfe seiner angeketteten Füße bis auf seine Brust zu befördern, von wo aus er ihn angewidert, aber hungrig mit den Zähnen zerlegte.
    Ja, die Ratte war tot. Tot wie all die anderen Ratten in diesem Verlies. Doch Konrad sah ihre Kadaver nicht, es war zu dunkel und er war zu schwach und zu unwissend, um zu ahnen, was dieses Rattensterben zu bedeuten hatte.
    Einigermaßen gesättigt von dem rohen Fleisch und ermüdet von der Mühe, die es ihn gekostet hatte, an diese ekelhafte Speise zu gelangen, verfiel Konrad erneut in einen langen Schlaf, von dem er sich wünschte, er würde ihn nie wieder loslassen. Doch das tat er.
    Schritte.
    Konrad erwachte davon. Er hörte eindeutig Schritte.
    Von Topfen. Er kam endlich wieder. Oder war es der Wächter?
    Wie auch immer. Ganz gleich, wer es war, und sollte es der Henker sein, Konrad freute sich, nach so langer Zeit ein

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