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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Angelegenheit zu kümmern. Schweigen wir sie einfach tot. «
    Crispin, bislang ungehalten und wütend, hatte sich im Verlauf des langen Monologs seines Hochmeisters ein wenig beruhigt. Und auch wenn die Rede Heinrich von Dusemers erneut mit einem wenig ritterlichen, ja feigen Vorschlag endete, so konnte Crispin dennoch in den Augen Dusemers erkennen, dass dies nur die offizielle Version seines Planes war.
    » Das Ordenskapitel wird also nicht weiter über diesen Fall beraten? « , sagte Crispin.
    » So ist es. Das Kapitel einzuberufen und dann im Kapitel zu beratschlagen, würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Zu viel Zeit « , bestätigte Dusemer, noch immer mit diesem auffordernden Blick, der Crispin unermüdlich fixierte.
    » Wie aber, verehrter Hochmeister, soll dann über meine Buße entschieden werden? «
    » Die Strafe für eine solche Sünde wie die, die Ihr begangen habt, dürfte der Ausschluss aus dem Orden sein, Bruder Crispin. Es grenzt an Verrat, den Hochmeister und sämtliche Mitbrüder in einer derart wichtigen Angelegenheit absichtlich hinters Licht zu führen. Ich schlage Euch vor « , und nun trat Dusemer ein wenig näher an Crispin heran, um flüstern zu können: » Legt Euer Habit ab und begebt Euch auf eine eilige Pilgerreise in den Südwesten des Reiches. Ein Freund braucht Euch. Wagt es jedoch nicht, jemals wieder einen Fuß hinter diese Mauern zu setzen. «
    Crispin schluckte.
    Was sollte er von diesem Vorschlag halten? Dusemer hatte ihn soeben aus dem Orden verstoßen. Es war unrechtmäßig, und Crispin hätte das Recht gehabt, dagegen zu protestieren.
    Doch das würde er nicht tun.
    Er würde den Vorschlag des Hochmeisters annehmen. Alt wurde er langsam und hätte es verdient, seinen Lebensabend in der Marienburg mit all den dort gebotenen Annehmlichkeiten zu verbringen. Doch Gott wollte es anders. Er forderte den betagten Krieger Crispin de Montbard zu einem weiteren, letzten Abenteuer heraus. Und diesem Willen wollte und konnte er sich nicht entziehen.
    Crispin verneigte sich tief, und als er wieder aufblickte, sah er in Dusemers lächelndes Gesicht.
    » Passt auf Euch auf, und rettet ihm den Kopf. Ich lasse zwei solch kampferprobte, mutige und, trotz aller Schwächen, ehrenhafte Ritter nur ungern ziehen. Doch es muss wohl sein. Gott sei mit Euch. «
    Damit reichte er Crispin einen schweren Beutel voller Münzen. Dusemer hatte diese Lösung offenbar geplant und darauf gehofft, dass Crispin sich als geeignet erwies, sie anzunehmen.
    Widerwillig griff dieser nach dem Beutel und küsste daraufhin den Ring des Hochmeisters.
    » Ich danke Euch « , sagte Crispin und zog sich dann langsam zurück.

XXXVII
    D er Winter verstrich langsam und ereignislos. Die große Pest schien verklungen zu sein, und so war es den Menschen Europas möglich aufzuatmen und sich von dem erlebten Schrecken zu erholen. Nie zuvor hatte man die kalte, ungemütliche Jahreszeit, die dem Gifthauch offenbar entgegenwirkte, so sehnsüchtig in Empfang genommen. Italien, Frankreich, Spanien, England, Byzanz und andere südlich gelegene Länder waren im letzten Jahr vom Tod überschattet gewesen, ganze Städte entvölkert, ganze Geschlechter für immer ausgelöscht worden. Den Norden und Osten des Kontinents hatte die Pest verschont, nur hier und da war sie vereinzelt aufgetaucht, ohne jedoch in dem alles verschlingenden Maße zu grassieren, wie es Orte wie Genua, Florenz, Paris, Konstantinopel oder London hatten erdulden müssen. Die Kunde von ihr jedoch hatte sich europaweit verbreitet und größte Sorge und auch Panik in den Gebieten ausgelöst, in denen das Sterben noch nicht angekommen war. Man hatte es erwartet, versucht, dagegen anzubeten, den Himmel angefleht, ihn verzweifelt nach guten oder schlechten Zeichen abgesucht, genauso wie man den eigenen Körper stets nach dem eindeutigen Zeichen dieser Geißel Gottes absuchte: dem schwarzen Mal, welches sich meist an Hals, Lenden oder in den Achselbeugen zeigte. Aber es kam nicht. Der Herr hatte das Übel von großen Teilen des europäischen Kontinents abgewendet. So hoffte man.
    Doch als der Winter von 1348 auf 1349 ein Ende nahm, da mussten auch die Menschen der noch unbefleckten Gebiete einsehen, dass diese Hoffnung vergeblich gewesen war: Das Sterben begann aufs Neue. Es hatte nur geruht, um mit der wärmenden Frühlingssonne wieder zu erwachen. Im März 1349 traf es in Wien ein und wütete verheerend, um danach seinen Siegeszug über das gesamte römisch-deutsche

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