Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Herren unterwegs, um die Arbeit der magistri incolarum zu unterstützen. «
» Ja, ja, red nur weiter solchen Unfug, Regino. Warum hast du deinen Auftrag nicht erfüllt? « , krächzte erneut die Stimme. Jetzt aber schien sich das Wesen, welches sich dahinter verbarg, zu bewegen. Johann nahm wahr, wie ein Schatten aus dem Dunkel der Baumwurzel hervorkroch, sich aufrichtete und auf sie zukam. Unwillkürlich hielt der junge Bursche ihm das schwache Licht seiner Laterne unter die Nase.
» Was blendest du mich, du Dummhans! « , rief der seltsame Waldmensch aus, griff seinerseits nach dem Licht und riss es an sich. Nur für einen kurzen Moment hatte Johann einen Blick auf den Mann werfen können. Er war nicht mehr jung, aber auch noch lange kein Greis zu nennen, auf dem Kopf trug er eine eng anliegende Lederhaube, sein Gesicht war bartlos und so vernarbt, dass man es entstellt nennen konnte, das rechte Auge fehlte ganz und war bereits zugewachsen. Die blonde Lisa hatte bei diesem Anblick erneut entsetzt aufgeschrien und sich noch weiter in der Achselbeuge des Müllerssohnes verborgen, welcher ebenfalls zitterte wie Espenlaub.
Langsam übermannte Johann das Gefühl, einen großen Fehler begangen zu haben. Sie waren offensichtlich in eine Falle getappt. Regino war ein Betrüger und mit irgendwelchen Schattengestalten im Bunde. Doch zum Glück hatte Johann sein uraltes Kurzschwert dabei, nach dem er nun, seiner Laterne beraubt, griff, um zur Not den Wegelagerer und auch den vermeintlichen Lokator zu überwältigen. Der Narbenmann näherte sich jetzt langsam, mit der Laterne in der Hand, den beiden Mädchen. Sein Gesicht zeigte dabei Lüsternheit, Gier, ja, Speichel troff ihm aus dem Mund. Johann konnte sich lebhaft vorstellen, was dieser Kerl im Schilde führte, aber dieses Vorhaben würde er beileibe nicht in die Tat umsetzen, denn immerhin waren sie in der Überzahl– sechs junge, kräftige Burschen, die es, auch wenn die fünf anderen noch immer glaubten, es mit dem Leibhaftigen zu tun zu haben, gut und gern mit einem alten Krüppel aufnehmen konnten, sollte er tatsächlich Hand an eines der Mädchen legen wollen.
So langsam er im ersten Moment noch gewesen war, so wieselflink griff Vitus Fips plötzlich nach Lisas dickem, blonden Zopf und riss ihren Kopf so herum, dass er ihr ins Gesicht schauen konnte. Doch noch ehe der lange Josef oder auch Johann mit seiner Waffe zur Stelle waren, hatte Vitus Fips wieder von ihr abgelassen. Danach hielt er seine Leuchte auch Anna entgegen, doch ihr näherte er sich nicht einmal, sondern schüttelte bereits aus einigen Schritten Entfernung den Kopf.
» Du enttäuschst mich, Regino « , sagte er nun.
Regino von Bunseborn schien peinlich berührt, er trippelte von einem seiner langen Schnabelschuhe auf den anderen, ein eingefrorenes Grinsen im Gesicht. Er war sich nicht sicher, wie er die verzwickte Lage retten sollte.
Was war nur in diesen Kerl gefahren?
Wollte er etwa seinen eigenen Plan zerstören? Wollte er sie alle verscheuchen? Er hatte doch im Hintergrund bleiben wollen. Und das wäre angesichts seiner wenig schmeichelhaften Erscheinung auch mehr als ratsam gewesen.
Jetzt aber kam er daher, keine zwei Meilen nach Beginn ihres Weges, und führte sich auf wie einer, dem es gefiel, alles niederzutrampeln, was er sich selbst mühsam aufgebaut hatte.
Dieser Vitus Fips musste verrückt sein.
Doch Regino war nicht so weit gekommen, um nun aufzugeben. Was immer dieser undurchsichtige Schelm im Schilde führte– er, Regino, würde sich von ihm nicht beirren lassen.
» Erlaubt Ihr, werter Fips, dass wir uns empfehlen? « , sagte Regino nun, seine bunt bestickte Kappe zückend, und dann ging er einfach an dem vernarbten Manne, der ihnen noch immer den Weg versperrte, vorüber, indem er seine Schar freudig hinter sich herwinkte.
» Dürr ist sie wie eine Hippe, braunes Haar, braune Augen. Lang wie ein Kerl, aber mit einem Gesicht wie ein Engel. Du solltest sie bringen, Regino, sonst hat all das keinen Wert « , rief ihnen der mysteriöse Vitus hinterher. Seine Stimme klang nicht mehr böse, nein, sie klang verzweifelt, fast weinerlich.
» Ich danke dir für deine Aufwartung, Vitus, und freue mich, dich alsbald auf unserem Wege wiederzusehen « , gab Regino fast singend zurück. Und flüsternd an seine Begleiter gewandt:
» Beeilen sollten wir uns nun. Sogar der König Karl hat diesem Manne gegenüber bereits seine Bedenken geäußert. Einst handelte es sich bei Vitus Fips um
Weitere Kostenlose Bücher