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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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Armen empfangen. Ja, wenig Edle findet man im Osten, und das ist gut so. Keine Raubritter, keine Fehden, kein Bauernlegen, kein Bauernschinden. Selbst die Pfaffen meinen es gut mit einem jeden neuen Schäfchen, das zu ihrer Herde stößt. Sie sind froh über Menschen aus dem Westen, denn immerhin sind uns Gott und der Herr Jesus nicht fremd, und man muss uns den Glauben nicht mehr einhämmern. Das stimmt sie milde und macht sie nachsichtiger, wenn es um die eine oder andere kleine Sünde geht. Wenn du verstehst, was ich meine… «
    Dabei zwinkerte Regino dem neben ihm marschierenden jungen Kerl zu und stieß ihn freundschaftlich in die Rippen. Ein jedes seiner Worte hatte er sich aus den Fingern gesogen, doch selbst für ihn, den Lügner, klang seine Rede so glaubwürdig, dass es ihn wundern würde, wenn es vor Ort tatsächlich anders käme.
    » Was ist mit den Mädchen dort? Sind sie schön? « , fragte Johann nun.
    » Die slawischen Mädchen sollen die schönsten sein, welche die Sonne je erblickt hat. Mit güldenem Haar zumeist, so wie es uns Mannsvolk gefällt, anschmiegsam und fleißig. Selbst der Kalif von Córdoba hat sie sich einst als Sklavinnen kommen lassen. Prächtige Weiber seien sie, so sagt man « , antwortete Regino schwärmerisch.
    » So sagt man? « , fragte Johann etwas verunsichert nach. » Habt Ihr nie eine kennengelernt, Meister Regino? Ihr weiltet doch lange dort? «
    Der vermeintliche Lokator biss sich auf die Lippen. Teufel noch eins, da hatte er sich verplappert. Schnell jedoch war eine Ausrede gefunden:
    » Mein lieber Johann, unter uns: Ich habe keine Augen für andere Frauen. Mein Herz ist längst verloren. An eine einzige, unerreichbare, verehrungswürdige, wunderschöne, aber leider verehelichte Frau, der ich aber dennoch in schmerzhafter Treue ergeben bin. «
    » Erzählt mir von ihr! « , bat Johann.
    » Ein andermal. Wir werden noch genügend Gelegenheit für einen Plausch haben « , vertröstete Regino den neugierigen Bauersburschen. Irgendwann wurde es auch dem findigsten Gaukler zu bunt, sich eine Lügenmär nach der anderen auszudenken.
    Stockfinster war er, der nächtliche Frühjahrswald, und zudem für Reginos Geschmack ein wenig zu ruhig. Man vernahm lediglich die schmatzenden Geräusche der stets in dem vom Schmelzwasser durchtränkten Boden versinkenden Füße der neun Nachtwanderer. Und so erschraken sie auch alle entsetzlich, als mit einem Mal– sie passierten soeben eine Weggabelung inmitten des Waldes– eine Stimme zu vernehmen war. Sie kam von unterhalb eines riesigen, knorrigen Eichenbaumes, dessen Wurzeln so ausladend waren, dass sie nicht nur Füchsen und Dachsen, sondern auch einem Menschen wunderbar Schutz vor Nässe und Kälte boten.
    » Regino! Was ich wollte, ist nicht dabei. «
    Die jungen Mädchen, die üppige Lisa Ziegenbart und die spindeldürre Anna Richling, erschraken so sehr, dass sie beide aufschrien und sich an die Schultern ihrer männlichen Begleiter, den langen Müllerjosef und den stotternden Tagelöhner Wilhelm, klammerten. Auch die drei übrigen, soeben dem Knabenalter entwachsenen Burschen– es waren der Steinwinkel-Knecht Otto und die Schmiedesöhne Fritz und Gustav– gaben Laute des Schreckens von sich. Allein Johann blieb ruhig, obgleich diese Ruhe eine rein äußerliche war. Denn die krächzende Stimme von unterhalb dieses sicherlich noch aus zutiefst heidnischen Zeiten stammenden Baumes hatte ihn sogleich an den Teufel denken lassen.
    » Fips? « , fragte Regino plötzlich in die Dunkelheit hinein.
    Johann gewann den Eindruck, dass der Lokator nur wenig begeistert, aber auch wenig überrascht war, hier inmitten des düsteren Nichts mit Namen angesprochen worden zu sein.
    » Ebendieser. «
    Noch immer gab sich die Gestalt hinter der Stimme nicht zu erkennen, sodass Johann zu glauben versucht war, dass es gar der Baum selbst war, der da zu ihnen sprach.
    Nun begann Regino von Bunseborn zu lachen, jedoch äußerst gestelzt und verunsichert.
    » Was machst du hier, Fips? «
    » Ich warte auf dich, du Tölpel. «
    » Darf ich vorstellen « , rief der Lokator nun besonders laut und wohlgelaunt, um seinen Begleitern die Angst zu nehmen. » Ihr habt es hier bei diesem Herrn unter des Baumes Wurzel nicht etwa mit einem nächtlichen Waldschrat zu tun. Nein, es handelt sich um niemand Geringeren als Vitus Fips, seines Zeichens Schreiber zu Köln, einst in Diensten der Ministerialen des Kaisers Ludwig dem Bayern und nun im Auftrage böhmischer

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