Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
Nun ja, dann muss es wohl sein. «
» Was muss sein, Regino? «
» Dann müssen wir wohl oder übel den Umweg über Goslar nehmen. «
» Wird dort jemand zu uns stoßen? «
Regino zuckte mit den Schultern und schüttelte sich dabei leicht, ganz so, als würde es ihn plötzlich ein wenig frieren.
» Lass dir gesagt sein, mein Guter: Stell dich tapfer und so früh wie möglich deinem Feinde, bevor er dich in einer schwachen Stunde aus dem Hinterhalt überrascht. «
Regino blieb stehen und starrte die auf dem Esel hockende alte Frau mit offenem Munde an. » Woher weißt du…? «
Maja lachte zahnlos. » Ich weiß gar nichts. Ich ahne lediglich. «
» Wie stellst du es an? Wie kommen dir diese Ahnungen? «
» Ich sehe es in deinen Augen. «
» Nun, dann werde ich dir von jetzt an nicht mehr in die Augen schauen, Maja « , winkte Regino ab, gab dem Esel einen Klaps aufs Hinterteil und hüpfte rückwärts zu Wilhelm, Josef und Johann, die er zu ihrer Freude mit einer äußerst pikanten Geschichte über einen Mönch und eine schöne Müllerin beglückte.
Maja schüttelte nur den Kopf und schlug dann, jetzt auf ihrem Tier an der Spitze des seltsamen Trosses reitend, den Weg nach Norden ein, hin zu der reichen Bergbau- und Kaiserstadt Goslar.
Erstaunlich rasch kamen sie an diesem Tage vorwärts. Mehr als drei Meilen hatten sie bereits hinter sich, als sie vom Solling aus auf ein noch massiveres, imposanteres Gebirge, Harz genannt, stießen.
» Hier geht’s jetzt auf und nieder, immer wieder! « , kündigte Maja die bevorstehenden Reiseabschnitte an.
» Als seien wir das nicht schon gewohnt « , stöhnte Lisa, setzte sich plötzlich mitten auf dem Weg nieder und öffnete die Bänder ihrer zerschlissenen Schuhe, um sich die wunden, stellenweise sogar blutigen Füße zu reiben.
Diesen Moment nutzten sie alle. Eine Rast war längst überfällig, man wollte aus seinen Schläuchen trinken und von dem Kanten frischen Brotes abbeißen, welches Maja ihnen allen in Northeim spendiert hatte.
So hockten sie eine ganze Weile auf dem breiten, aber verlassenen Fahrweg und warteten auf die wertvollen Momente, an denen die Nachmittagssonne kurz hinter den grauen, eilig über den Himmel ziehenden Wolken hervorlugte.
» Was treibt ihr da, Lumpenpack? « , vernahmen sie in einem solchen wärmenden Augenblick plötzlich die dröhnende, raue Stimme eines Mannes, der sich auf einem prächtigen Ross näherte. Hinter ihm, auf weniger wohlgenährten Pferden, dafür schwer bewaffnet, folgte eine Handvoll weiterer Reiter.
Im Nu hatten sie die Gruppe erreicht.
» Dies ist mein Pass, und hier wird nicht herumgelungert! « , brüllte der Schwarzbärtige.
» Das muss sich um ein Missverständnis handeln, mein hochwohlgeborener Herr Ritter « , rief Regino, sprang mit einem Satz auf die Beine und verneigte sich tief vor dem Mann, dessen Erscheinungsbild dem eines Ritters durchaus ähnlich war, sah man davon ab, dass er nur wenig Wert auf Körperpflege legte. Er stank bereits von Weitem abartig nach Schweiß, schlechtem Atem und sonstigen, noch unangenehmeren Säften.
» Dietrich, zähl sie durch! « , wandte sich dieser, Regino nicht beachtend, an einen seiner Begleiter, welcher sofort vorpreschte und mit angestrengtem Gesichtsausdruck, den Zeigefinger der rechten Hand von einem zum anderen führend, die Mitglieder der Gruppe abzählte.
» Elf, mein Herr, und ein Eseltier « , stotterte er alsdann und zog sich wieder in die hintere Reihe zurück.
» Elf Taler und zwei weitere Taler für das Viech « , brummte nun der schwarze Mann und lenkte sein Pferd so nah an Regino, dass der Schaum von den Nüstern des Tieres auf dessen Nase troff.
» Mit Verlaub, mein Herr Ritter, das nenne ich eine stattliche Summe « , antwortete Regino und versuchte sich erneut zu verneigen, doch dazu war ihm das schnaubende Pferd zu nah.
» Ha, na dann « , lachte dieser nur, lenkte nun sein Tier geschickt von Regino fort auf die beiden jungen Mädchen zu, die sich zu spät dazu entschlossen, sich hinter den Rücken ihrer Begleiter verbergen zu wollen. Mit einer beeindruckenden Drohgebärde forderte er den langen Josef und den stotternden Wilhelm auf, sich bloß nicht zu regen, und packte dann mit einer gekonnten Bewegung beider Arme, die darauf hinwies, dass er in derlei Dingen Übung hatte, Lisa und Anna am Nacken, um eingehend ihre Gesichter zu prüfen.
» Die da ist nicht übel « , brummte er und stieß das andere Mädchen, Anna, fort, während er
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