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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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weiterhin sorglos.
    Die jungen Leute hingegen starrten die Alte mit offenen Mäulern an, ihnen allen war der Appetit auf die Kohlsuppe vergangen.
    » Eine verteufelte Zauberin ist das « , raunte Josef Johann zu. Dieser nickte langsam mit dem Kopf. Er war verängstigt und fasziniert zugleich.
    » Gen Morgen wollt ihr ziehen, so ist es doch? Über Berge, durch Täler müsst ihr streifen, Flüsse und Sümpfe überqueren. Volk, das mit fremden Zungen spricht, wird euch begegnen. Nicht jeder wird euch wohlgesonnen sein. Und zudem dürft ihr niemals außer Acht lassen, dass etwas Unsichtbares euch begleitet. «
    » Genau. Wie wunderbar, sie hat sogar eine Landkarte vor Augen. Das ist das Beste, was uns passieren konnte. « Regino war schier euphorisch. Diese Alte kannte sich aus. Ganz abgesehen von ihren Geldsegen bringenden Wahrsagekünsten schien sie auch über einen hervorragenden Orientierungssinn zu verfügen. Wieder eine glückliche Fügung, die es Regino erlauben würde, sich auf dem gewiss immer schwieriger werdenden Marsch nicht vollkommen von Vitus Fips abhängig zu machen, welcher in Goslar auf ihn warten würde, um ihm das nächste Etappenziel mitzuteilen. Die warnenden Worte der Greisin ignorierend, hörte er bloß auf das Gute, was sie sagte. Es fehlte bloß, dass er aufsprang und einen seiner Tänze aufführte. Die anderen jedoch– mit Ausnahme Maries, welche das Mütterchen bereits in ihr Herz geschlossen hatte– beäugten die Szene misstrauisch.
    » Ein bisschen alt ist sie, um so weit zu reisen « , meldete sich schließlich Johann zu Wort. Seine Freunde nickten allesamt.
    » Der Esel, Johann, denk an den Esel « , wandte Regino ein.
    Johann blickte sich geziert im Raume um. » Ich sehe hier viel, aber ein Grautier sehe ich nicht. Nicht einmal ein totes und mit Stroh gefülltes, auch wenn mich das nicht wundern täte. «
    Die übrigen Burschen lachten verhalten.
    » Kein Unmut, Johann. Du wirst Maja danken, dass sie dabei ist. Sie ist heilkundig, sie kann kochen, sie ist eine wandelnde Landkarte, und sie weiß uns vor Gefahren zu warnen. Ganz abgesehen davon stellt ihre Orakelweisheit einen Goldquell für unseren Reisebeutel dar. «
    Und wieder– ganz so, wie er es bei Marie am Abend zuvor gemacht hatte– breitete Regino seine Arme aus, ließ die an den Ärmeln baumelnden Glöckchen erklingen und rief Maja ein fröhliches » Willkommen! « zu.
    Johann zuckte bloß mit den Schultern und machte sich schließlich doch an die Kohlsuppe.
    » N-n-na, d-d-as kann j-ja h-h-eiter werden « , stotterte Wilhelm.
    » Ein sonderbares Weib nach dem anderen « , meinte der lange Josef, während beide Mädchen » Heilige Gottesmutter, beschütze uns! « murmelten und die drei ganz jungen Burschen große Augen machten.
    Marie hingegen war erleichtert, auch wenn ihr die Worte der alten Frau für den Rest der unruhigen, für sie nahezu schlaflosen Nacht nicht aus dem Kopf gehen wollten.

X
    Tirol, acht Tage nach dem Aufbruch von Venedig, im März 1348
    D unkler waren sie geworden, aber nicht größer, die vier widerlichen Beulen, welche Crispin in Augenschein nahm, als er den heißen Körper seines ohnmächtigen Freundes an diesem Morgen entkleidete und wusch. Eine der Erhebungen befand sich am Hals, zwei auf einer jeden Seite unter den Achselbeugen, und eine letzte an der rechten Lende.
    » Sie scheinen zu trocknen « , murmelte er vor sich hin und warf einen Blick auf sein scharfes, glänzendes Schwert, das in einer Ecke der verlassenen und verfallenden Behausung gelehnt stand. Crispin hatte es bislang noch nicht übers Herz gebracht, sein Vorhaben zu vollenden. Er hatte immer noch gehofft, Konrad wenigstens so weit pflegen zu können, dass dieser aufwachte und dem Freund die Zustimmung für dessen Gnadenakt erteilte. Doch bisher war Konrad noch nicht ein einziges Mal, nicht einmal für einen kurzen Moment, zur Besinnung gekommen.
    Crispin legte ein Ohr auf die nackte, schweißnasse Brust des Kranken und lauschte. Sein Atem war schwach, aber er ging normal. Kein Rasseln, keine Not beim Luftholen, so wie Crispin es bei anderen Pestkranken in Messina beobachtet hatte. Konrad fieberte lediglich stark, wies Anzeichen einer üblen Erkältung auf, und an den genannten Stellen seines Körpers hatten sich diese hässlichen Beulen gebildet, die jedoch– und das hoffte Crispin sich nicht nur einzubilden– zu trocknen begannen. » Kleiner werden sie jedoch nicht « , flüsterte er zu sich selbst und drückte mit dem Finger

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