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Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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leicht gegen das Geschwür an Konrads Lende. Es war nur ein sanfter Druck, aber offenbar stark genug, um das schwarze Ding plötzlich wie eine reife Frucht aufplatzen zu lassen. Ein abstoßendes, eitriges Sekret ergoss sich stinkend auf den schwitzenden Leib des bewusstlosen Kranken.
    Angewidert sprang Crispin zunächst zurück. Doch dann begann er zu lächeln, aus dem Lächeln wurde ein lautes Lachen, und schließlich hüpfte er wie ein Kind in dem niedrigen, dunklen Raum herum.
    Er erinnerte sich an die Jahre, die er als junger Mann in einem Hospiz auf Malta verbracht hatte, er erinnerte sich an den weisen Bruder Valenz und an dessen Bericht über die Justinianische Pest, welche vor vielen hundert Jahren in Konstantinopel und weiten Teilen der bekannten Welt gewütet haben soll. Kaiser Justinian selbst war von diesen schrecklichen Beulen befallen worden und hatte überlebt, ja, er hatte überlebt, so wusste Bruder Valenz zu erzählen, weil sich die Bubonen durch Gottes Hilfe am sechsten Tage von allein geöffnet hatten.
    » Und ich wollte dir das Schwert ins Herz rammen « , rief Crispin nun seinem noch immer besinnungslos daliegenden Freund zu.
    Dann legte sich seine Euphorie mit einem Mal. Mit ernster Miene trat er zum Lager Konrads, kniete sich betend nieder, dankte Gott und sprach die ganze Nacht hindurch einen Psalm nach dem anderen, während er den kranken Körper seines Freundes nicht aus den Augen ließ und mit Behagen beobachtete, wie sich im Laufe der Nacht alle Beulen wie durch himmlische Hand zu öffnen begannen.
    Die alte Maja war erstaunlich gut zu Fuß unterwegs. Es hätte des Esels gar nicht bedurft, welchen sie nach drei Tagen Marsch in der Sollingstadt Northeim gegen eine versilberte Gürtelschnalle eintauschten. Derlei Wertgegenstände führte die ehemalige Einsiedlerin dutzendfach in einem Lederbeutelchen mit sich, das unter ihren vielen Röcken zwischen den knorrigen Beinen baumelte. Fundstücke waren es, die sie in der Zeit ihres Alleinseins in dem verlassenen Dorf aus den menschenleeren Häusern geholt hatte.
    Für die Brüder Fritz und Gustav sowie den jungen Knecht Otto stellte es jedes Mal einen Heidenspaß dar zu beobachten, wie das alte, trockene Weib seine Röcke lüftete, um nach ihrem wohlgehüteten Schatz zu greifen. Marie versetzte den Buben, wenn sie sie dabei erwischte, wie sie sich über Maja lustig machten, einen Nackenstreich, musste aber zugeben, dass sie ihrerseits durchaus amüsiert war.
    Ja, die Aufnahme des zwar betagten, aber dennoch äußerst erfrischenden Kräuterweibleins in die Gefolgschaft war vor allem für Marie eine Wohltat. Sie kannte die Alte kaum, spürte aber, dass von ihr eine tiefe Ehrlichkeit ausging, auch wenn sie den anderen, bis auf Regino, stets unheimlich blieb. Nun war Marie also nicht mehr die Einzige in der Gruppe, welche vor allem von den beiden Mädchen misstrauisch angeschaut und über welche heimlich getuschelt wurde. Marie hatte in der » Hexe « Maja eine Gefährtin gefunden, mit der sie etwas Wesentliches teilte: Sie beide waren schlicht und einfach anders– merkwürdig, sonderbar, wunderlich, wenn man so wollte. Im Gegensatz zu Marie war Maja jedoch niemals aus ihrem Dorf herausgekommen, und dennoch wusste sie mehr als selbst ein weitgereister Wallfahrer, der nicht nur Rom und Santiago di Compostela, sondern gar das Heilige Grab in Jerusalem aufgesucht hatte. Regino hatte nicht falsch gelegen, als er annahm, in Maja eine sprechende Landkarte vorzufinden. Und nicht nur das: Offenbar war sie sogar des Lesens und Schreibens kundig, auch wenn sie sich über die Quelle dieses für eine einfache Walddorffrau ungewöhnlichen Wissens in Schweigen hüllte. Ja, Maja genoss es, mysteriös zu bleiben. Oft sprach sie nur in Rätseln, manchmal gab sie auf Fragen gar keine Antwort, sondern machte bloß merkwürdige Gesten und Grimassen. Das mochte manchmal ulkig erscheinen, oft jedoch rief sie mit ihrem wunderlichen Betragen auch Grusel und Gänsehaut unter den soeben dem Kindesalter entwachsenen jungen Leuten hervor. Dennoch, Marie begann sie gerade deswegen von Stunde zu Stunde mehr ins Herz zu schließen, obgleich auch sie wegen der oft düsteren, nebulösen Prophezeiungen und Visionen der Alten schlecht träumte.
    » Was meinst du damit, Regino, dass ich entscheiden soll, ob wir den Weg über Goslar nehmen? « , fragte Maja, auf ihrem Esel sitzend, während sie den Bannkreis der Stadt Northeim verließen.
    Der Pfeifer führte das Tier, welches tapfer

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