Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
bestrafen, indem wir ihnen den Tod bringen. «
» Was redest du für ein wirres Zeug, Crispin? « , murmelte Konrad gereizt und wollte nach seinem weißen wollenen Mantel greifen, der auf der bisherigen Reise sehr gelitten hatte und bei Weitem nicht mehr in dem reinen Weiß erstrahlte, für welches die Ordensritter bekannt waren. Doch noch bevor Konrad die Bank erreicht hatte, über die sein Mantel geworfen war, war Crispin zur Stelle, nahm das edle Kleidungsstück und warf es ohne zu zögern in das kleine Feuer, welches unter der einfachen Kochstelle der schlichten, verlassenen Bergbehausung brannte.
» Bist du des Teufels? « , schrie Konrad, zerrte, so schnell ihm das bei seinen geschwächten Knochen möglich war, den Mantel aus den Flammen und hatte sie im Nu erstickt.
» All deine Kleidung gehört verbrannt, und du solltest deinen nackten Körper in Kalk wälzen und mit Essig einreiben. «
Crispin, der jetzt aufrecht im Schein des Feuers stand, machte in diesem Moment auf den noch immer leicht fiebernden Konrad einen wahrlich dämonischen Eindruck. Unwillkürlich wanderte Konrads Blick zu Crispins Füßen, um festzustellen, ob diesem in der Zwischenzeit nicht vielleicht ein Pferdefuß gewachsen war.
Hatte der sonst so umsichtige Freund etwa den Verstand verloren? Oder war er gar ebenfalls von dieser bösen Krankheit befallen?
Auf jeden Fall sprach Crispin seltsame Dinge und verhielt sich eigentümlich.
Seinen fragenden Blick noch immer auf Crispin gerichtet, klopfte Konrad den Ruß vom Mantel und zog ihn, ohne die Brandlöcher zu begutachten, über. Dann stand er auf, grinste etwas gequält und sagte:
» Was kümmert dich ein verlauster Mantel? Komm, Bruder Crispin, wir wollen weiterreiten. Der Weg nach Mergentheim ist weit. Wo finden wir unsere drei Brüder wieder? «
» Sie warten auf uns in einem der nächsten Dörfer. « Crispins Stimme klang matt und resigniert.
» Zeig mir den Weg, mein Freund. Und lass dir gesagt sein: Ich danke dir von ganzem Herzen, dass du mir das Leben gerettet hast. Deinetwegen kann ich nun wieder mein Pferd besteigen. Ich lebe, und auch du lebst. Es ist vorbei, Crispin. Die Seuche ist in Italien geblieben. Es ist vorbei. «
Konrad legte beide Hände auf die Schultern des etwas kleineren, älteren Mannes und schaute ihm dabei tief und dankbar in die Augen. Crispin neigte leicht den Kopf und atmete tief durch:
» Gott gebe, dass du recht hast, Bruder Konrad. «
Marie und Maja zogen nun allein durch Goslar. Sie hatten die Buben und Mädchen auf dem Marktplatz zurückgelassen, wo diese mit großen Augen und offenen Mäulern einem recht pikanten Mysterienspiel beiwohnten, welches den Titel trug: » Ein schönes Spiel von Frau Jutta, welche Papst zu Rom gewesen und auf dem Stuhl ein Kindlein erzeugt « . Maja wollte, nachdem sie ihnen allen ein warmes Mittagsmahl spendiert hatte, einen Ort aufsuchen, von dem sie schon vor Jahren von Durchreisenden in ihrem Dorf vernommen hatte. Einen heimlichen Markt sollte es in dieser Harzstadt geben, einen Markt, auf dem allerlei Eigentümlichkeiten feilgeboten wurden. Nicht weit von den Mauern der Kaiserpfalz sollte er gelegen sein, aber dennoch so verborgen, dass selbst manch ein Bewohner Goslars nichts davon wusste. Zu diesem Markt zog es die Alte nun magisch, und Marie sollte sie begleiten.
» Ich habe mich schon immer hierher gewünscht « , sagte Maja begeistert, nachdem sie die winzige Gasse erreicht hatten, in welcher buntes Treiben herrschte. Man bot hier in verborgenen Winkeln und unter der Hand allerlei verbotene Dinge, wie Heilkräuter, Steine, tierische und auch menschliche Knochen, getrocknete Innereien ebenfalls unterschiedlichster Herkunft, Duftstoffe und heidnische Handwerkskunst an, welches alles dem Zwecke dienen sollte, auf zauberhafte Weise Wirkungen zu erzielen, die von der Kirche und auch vom weltlichen Arm als schändlich angesehen wurden, aber von zahllosen Menschen dennoch erbeten waren. Wirkungen, die das Überleben erleichtern, die Gesundheit fördern, die Liebe aufblühen lassen sollten. Gute Absichten also lagen in dieser dunklen Gasse verborgen, auch wenn man mit einem Gemisch aus der einen oder anderen Zutat, die es hier zu erhalten gab, gewiss das Gegenteil bewirken konnte.
» Sieh an « , meinte Maja und reichte Marie den grinsenden Schädel eines winzigen menschlichen Lebewesens mit scharfen Zähnen. Marie schreckte ein wenig zurück, musste dann aber erleichtert auflachen, als die freundliche Krämerin
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