Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
ihnen zuraunte: » Ein Äffchen. Zerrieben und eine ganze Nacht bei vollem Mond in Wein gekocht, musst du den Sud deinem Liebsten zum Trinken reichen, schöne Frau. Dann wird der Unwissende dir ein Lebtag treu ergeben sein. « Und mit diesen Worten wies sie auf einen dümmlich dreinblickenden, kahlköpfigen und pockennarbigen Kerl, der hinter ihr auf einem prallen Sack hockte und beständig auf ein altes Stück Brot spuckte, um es weich zu machen, damit er es mit seinen eitrigen Zähnen essen konnte.
» Nein, danke. Ich verzichte « , antwortete Marie, mit gehobenen Brauen auf den treuen Tölpel blickend, und legte den Affenschädel zurück.
» Hier im Harz gibt es allerlei Zauberwerk « , berichtete Maja nun weiter. » Selbst bis in unser Dorf sind die Geschichten von auf Besen reitenden Hexen gedrungen, sowie von zauberkundigen Zwergen und derlei Wesen mehr, welche die Höhlen und Wälder dieser Berge bewohnen. Hast du jemals von dem Blocksberg gehört, Marie? «
» Nein. «
» Wir werden ihn gewiss auf unserer weiteren Reise passieren. Dort sollen sie des Nachts tanzen, die lustigen Frauen. «
» Ach ja? « Marie schielte Maja leicht von der Seite an und fragte sich, ob diese vielleicht auch schon einmal an einer solchen Walpurgisnacht auf dem Blocksberg teilgenommen hatte. Zuzutrauen war es ihr. Auch wenn es sich bei Maja ganz gewiss um eine gute Hexe handelte.
» Wovor läufst du davon, Marie? Verrate es mir « , fragte Maja plötzlich unvermittelt, während sie beide Hände in ein Fass mit getrockneten Kräutern tauchte, die bei dieser Berührung einen betörenden Duft verströmten.
» Wovor ich davonlaufe? « Marie hatte mit dieser Frage nicht gerechnet.
» Ja. Was macht dir solche Angst, mein Kind? « Maja zog nun die Hände wieder heraus und schenkte dem steinalten Greis, der noch allerlei weitere Kräuter feilbot, ein anerkennendes Nicken, ohne jedoch auf dessen Verkaufsangebot einzugehen.
» Ich will, dass alles anders wird, Maja. Alles, verstehst du. Das, was hinter mir liegt, mein vergangenes Leben– ich möchte, dass es niemals stattgefunden hat. Und nichts, rein gar nichts aus diesen Zeiten möchte ich mit hinübernehmen in die Zukunft. « Marie erschrak selbst vor diesen Worten, die mit einem Male aus ihr herausgesprudelt kamen. War es der seltsame Duft der Kräuter, der ihr das Hirn vernebelt und sie so redselig gemacht hatte?
» Das kann ich verstehen, meine Liebe « , antwortete Maja ruhig und wenig überrascht. » Und glaube mir, du hast einen Zeitpunkt für diesen Wandel gewählt, der günstiger nicht sein könnte. Alles wird sich bald verändern. Und das nicht nur für dich, Marie. Leider jedoch ist dieser große Wandel auch mit großem Schmerz verbunden und kann nur unter schrecklichen Verlusten erkauft werden. «
» Du erschreckst mich immer wieder, Maja. Wie kommst du dazu, so etwas zu sagen? « Marie blieb stehen. Sie war es leid, sich von den kryptischen Worten der ansonsten so guten alten Frau verunsichern zu lassen.
» Es sind die Zeichen. Erkennst du sie nicht, mein Kind? Seit Jahren kann man sie sehen. Die Wolken und Sterne verraten es. Die Tiere weisen uns darauf hin. Vorboten des Todes sind es. Warnungen des Himmels. Träumst du nicht auch schlecht, Marie? «
» Das tue ich. Aber wenn ich ehrlich bin, träume ich meist von Dingen, die mich selbst betreffen. «
» Das, was ich meine, wird dich betreffen. Es wird dich betreffen, so wie es uns alle betreffen wird. «
» Wovon sprichst du, Maja? « Marie wurde ungeduldig.
Maja blieb nun inmitten der engen Gasse stehen und zog die um mehr als einen Kopf größere Marie zu sich heran, um ihr ins Ohr flüstern zu können: » Ich hätte meine Heimat nie verlassen und wäre nicht mit euch gegangen, wenn in der Nacht zuvor nicht dieser Albdruck über mich gekommen wäre. Da war ein Mann in diesem Traum. Der Träger des Unheils. Ein schwarzes Kreuz war dort. Gestank, nach faulen Eiern und abgezogenen Tierhäuten. Er zieht weiter, dieser Mann, er zieht weiter, immer weiter. Und dann kamst du, Marie. «
» Ich? «
» Du kamst nicht im Traum, sondern du erschienst am Tage darauf in meinem Dorf. Als ich dich in dem Haus des Bauern Schnittbeil antraf, mit der kleinen Figur in der Hand, und als ich dir dann in die Augen sah, da fühlte ich mich sofort an diesen Albdruck erinnert und wusste: Du hast mit diesem Mann, diesem Kreuzträger, zu tun, und es ist meine Aufgabe, ihn von uns allen fernzuhalten. «
» Du machst mir Angst,
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