Die Flucht der Gauklerin: Historischer Roman (German Edition)
und ihn damit zum Bleiben zu bewegen.
» Weil es schon lange keinen Ertrag mehr bringt. «
Regino verstand nicht viel von dem, was die beiden da redeten. Aber er hatte das untrügliche Gefühl, dass es gut für ihn war, dass das verabredete Geschäft offenbar nicht zustandekommen würde.
» Erzähl « , forderte Fips den Bullen auf und beugte sich zu ihm herüber.
» Naja, wir hatten in den letzten fünf Jahren fast ein Dutzend Grubeneinstürze in der Gegend. Den Herren fehlt das Geld und die Lust, die Stollen zu sichern, zudem muss man immer tiefer hinunter, um an das Erz heranzukommen. Da läuft ein Schacht dann gern mal voll. Was nützen einem die Zwerglein schon, wenn sie ersaufen oder verschüttet werden? Bleiben sie am Leben, so können selbst ihre kleinen Hände unter diesen Bedingungen nichts mehr herausholen, und abgesehen davon scheint das Silber ohnehin erschöpft. Geschlossen sind nun viele Gruben. Es lohnt nicht mehr. Und darum benötige ich auch keine weiteren Kinder, Fips. «
» Das ist ein Wort « , murmelte Fips enttäuscht und lehnte sich wieder zurück. Regino hingegen war erleichtert.
» Mädchen hingegen könnte ich gebrauchen. Nicht viele. Vier oder fünf Jungfrauen, wenn möglich. «
Mit diesem Auftrag erhob sich der Hüne und marschierte nun zu seiner Verabredung in den engen Hinterhof der Spelunke.
» Jungfrauen « , wiederholte Fips bitter und spuckte dabei erneut verächtlich auf den Boden. » Die sind ja noch schwieriger zu finden als der Heilige Gral. «
» So ist es « , antwortete Regino beseelt und nippte an seinem Bier. » So ist es. «
» Dennoch, mein lieber Regino, sind wir beide noch lange nicht miteinander fertig. « Fips musterte sein Gegenüber nun eindringlich. » Die versprochenen Grubenkinder hast du mir nicht gebracht, und mein Mädchen war auch nicht dabei, als du aus dem Dorf losgezogen bist. Du bist wortbrüchig und hast mich wütend gemacht. Es kostet dich einiges, mich wieder milde zu stimmen, Regino. «
Regino begann ein wenig zu zittern, dennoch versuchte er zuversichtlich zu bleiben. Hastig griff er unter den Tisch und zog den schweren Sack herauf, um ihn unmittelbar vor Fips’ Nase zu platzieren. Mit einem eingefrorenen Lächeln auf dem Gesicht erwartete er eine Reaktion.
» Das ist alles für dich « , sagte er schließlich, als eine solche ausblieb. » Eine kleine Entschädigung dafür, dass ich die Kinderlein nicht gebracht hab, die du ohnehin hier nicht hättest loswerden können. Als ob ich es geahnt hätte! « Und dabei lachte Regino spitz auf.
Noch immer rührte Fips sich nicht. Er würdigte den Geldsack nicht einmal eines Blickes.
Regino löste nun zitternd die Schnur, griff in den Beutel und holte neben dem stinkenden Gerippe einer Forelle auch eine Handvoll Münzen heraus, die leider nicht klirrten, als er sie auf die Holzplatte rollen ließ, so gern er dieses effektvolle Geräusch auch gehört hätte.
» Was soll das sein? « , fragte Fips mürrisch.
» Na, ein Sack voll Geld. «
Fast angewidert nahm Fips drei Münzen in die Hand und warf einen flüchtigen Blick darauf. Im gleichen Moment huschte aus seinem Wams eine bunte Ratte hervor, die neugierig an den Münzen schnupperte. Vorsichtig, ganz so, als sei das Tier aus venezianischem Glas, griff Fips nach ihr, küsste sie sanft und steckte sie liebevoll zurück unter sein löchriges Kleidungsstück.
Regino schüttelte sich unwillkürlich.
» Woher hast du die Münzen? « , fragte Fips harsch.
» Sagen wir, es ist mein Erbe. «
Fips nickte, und auch Regino nickte, dabei erwartungsvoll sein Gegenüber anstarrend.
» Weißt du, wie alt diese Dinger sind? « , meinte der Narbenmann und warf die Münzen achtlos zurück auf den Tisch.
» Nun, wenn man sie reinigt, dann werden sie gewiss wieder glänzen « , antwortete Regino, sich verzweifelt an einen letzten Hauch von Zuversicht klammernd.
» Römergeld ist das. Mindestens tausend Jahre alt. Wirf es in einen Brunnen und hoffe darauf, dass es dir Glück bringt. Mehr ist damit nicht anzufangen. «
Mit weit offenem Mund wechselte Reginos Blick immer wieder zwischen seinem Gegenüber und den stumpfen Münzen. So ging das eine ganze Weile, dann murmelte er enttäuscht:
» Du verblüffst mich immer wieder mit deiner Klugheit, Fips. Römergeld? Tausend Jahre alt? «
» Mehr als tausend Jahre alt. In meiner Heimatstadt Köln kann man damit die Straßen pflastern. Dachtest du wirklich, mich mit einer solchen Dummheit hinters Licht führen
Weitere Kostenlose Bücher