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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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Weglaufen, und vielleicht wissen wir erst, wenn wir einmal nicht mehr weglaufen, dass das Leben endgültig vorüber ist.
    »Komm schon, Todd«, ruft Viola über die Schulter. »Beeil dich!«
    Ich sage nichts.
    Ich laufe.
    Wir sind am Fuß des Hügels, zurück an unserem Fluss. Wieder einmal. Rechts von uns: die Straße . Wieder einmal. Es ist immer das Gleiche.
    Der Fluss rauscht lauter als zuvor, er fließt hier ungestümer, aber wen interessiert das jetzt schon noch? Was spielt das für eine Rolle?
    Das Leben ist nicht gerecht.
    Wirklich nicht.
    Niemals.
    Es ist sinnlos und dumm, und es hält nur Leiden und Schmerz bereit und Menschen, die dir Schmerz zufügen wollen.Man darf nichts oder niemanden lieben, denn all das wird dir ohnehin wieder weggenommen oder kaputt gemacht, und du bleibst allein zurück und musst kämpfen, fliehen, alles nur, um das nackte Leben zu retten.
    Nichts ist gut in diesem Leben. Es gibt überhaupt nichts Gutes.
    Wozu das Ganze?
    »Der Sinn ...« Viola bleibt mitten in dichtem Gestrüpp stehen und schlägt mir kräftig auf die Schulter, »der Sinn besteht darin, dass Ben sich um dich gekümmert hat, dass er jetzt sogar sein Leben für dich aufs Spiel setzt. Und wenn du nun einfach aufgibst «, sie schreit das Wort förmlich heraus, »dann zeigst du damit, dass dir dieses Opfer nichts wert ist!«
    »Aua«, sage ich und reibe mir die Schulter. »Aber weshalb muss er sich opfern? Weshalb muss ich ihn schon wieder verlieren?«
    Sie kommt ganz nahe heran. »Glaubst du etwa, du bist der Einzige, der einen anderen Menschen verloren hat?«, faucht sie mich an. »Hast du vergessen, dass meine Eltern tot sind?«
    Das habe ich.
    Ich habe es wirklich vergessen.
    Und ich bin ganz still.
    »Du bist alles, was ich jetzt noch habe«, sagt sie wütend. »Und du hast jetzt nur noch mich. Ich bin auch verzweifelt, dass Ben nicht bei uns ist, und ich bin verzweifelt, weil meine Eltern gestorben sind, und ich bin vor allem verzweifelt, dass wir je auf die Idee gekommen sind, auf diesen Planeten auszuwandern, aber so ist es nun einmal, und es ist ein verdammter Mist, dass es gerade uns getroffen hat, aber wir können nichts daran ändern.«
    Ich bin immer noch still.
    Da steht sie vor mir, und ich schaue sie an, ich schaue sie wirklich an, wahrscheinlich zum ersten Mal, seit ich sie neben dem Baumstamm kauern sah, damals im Sumpf, als ich sie für einen Spackle hielt.
    Es kommt mir vor, als sei dies alles in einem anderen Leben gewesen.
    Seit den Tagen in Carbonel Downs sieht sie irgendwie immer noch sauber aus (das war gestern, wirklich erst gestern), aber auf ihren Wangen ist etwas Schmutz, und sie ist dünner geworden, und unter ihren Augen sind dunkle Ringe, ihre Haare sind wirr und zerzaust, ihre Hände sind kohlschwarz, auf ihrem Hemd leuchtet vorn ein großer Grasfleck, den sie sich bei einem Sturz geholt hat, und ihre Lippen sind aufgerissen, wo sie von einem Ast getroffen wurde, als wir mit Ben wegrannten (wir haben keinen Verband mehr für die Wunde). So steht sie da und schaut mich ...
    Und erklärt mir, dass sie alles ist, was ich auf der Welt habe.
    Und dass ich alles bin, was sie auf der Welt hat.
    Und ein wenig wird mir klar, was das bedeutet.
    Mein Lärm verfärbt sich.
    Sie spricht sanfter, aber nur ein bisschen. »Ben hat uns verlassen, Manchee ist tot, und meine Eltern sind tot«, sagt sie. »Ich hasse das alles. Ich hasse es. Aber wir sind beinahe am Ziel. Wir haben’s fast geschafft. Und wenn du nicht aufgibst, dann werde ich auch nicht aufgeben.«
    »Glaubst du, dass es am Ende dieser Straße Hoffnung für uns gibt?«, frage ich.
    »Nein«, sagt sie unumwunden. »Nein, das glaube ich nicht,aber ich mache weiter.« Sie wirft mir von der Seite einen Blick zu. »Machst du mit?«
    Eine Antwort ist unnötig.
    Wir werden rennen.
    Wieder einmal.
    Aber.
    »Wir sollten die Straße nehmen«, sage ich und biege einen Zweig zurück.
    »Und die Armee?«, wendet sie ein. »Und die Pferde?«
    »Sie wissen, dass wir hier sind. Wir wissen, dass sie hier sind. Wir scheinen alle auf derselben Straße nach Haven unterwegs zu sein.«
    »Wir werden sie hören, wenn sie anrücken«, sagt sie. »Und auf der Straße kommen wir am schnellsten voran.«
    »Auf der Straße geht es am schnellsten.«
    »Dann lass uns einfach auf dieser Scheißstraße nach Haven gehen.«
    Ich muss lächeln, aber nur ein wenig. »Du hast ›Scheiße‹ gesagt. Du hast es wirklich gesagt.«
    Und so folgen wir der Scheißstraße, so

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