Die Flucht
jedem seiner Schritte auf und ab. Mein Herz schlägt in rasendem Takt, und meine Beine fühlen sich an, als würden sie jeden Augenblick abfallen. Trotzdem rennen wir weiter.
Und wieder einmal geht es näher an Fluss heran. »Warte!«, rufe ich.
Das Mädchen, das einen ziemlich großen Vorsprung hat,bleibt stehen. Ich laufe ans Ufer, halte kurz nach Krokodilen Ausschau, dann beuge ich mich vor und schöpfe einige Handvoll Wasser. Es schmeckt süßer, als es sollte. Wer weiß, was da drin ist, immerhin kommt das Wasser direkt aus dem Sumpf. Aber trinken muss schließlich jeder mal. Ich spüre die Stille des Mädchens neben mir, als es sich niederbeugt und ebenfalls trinkt. Ich rutsche ein kleines Stück von ihm weg. Auch Manchee will seinen Anteil, und so hört man uns drei, wie wir im Wechsel tief Atem holen zwischen den Schlucken.
Ich blicke in die Richtung, in die es weitergehen soll, und wische mir über den Mund. Direkt am Ufer ist das Gelände so felsig und steil, dass wir dort unseren Weg auf keinen Fall fortsetzen können, aber da ist ein Pfad, der vom Flussufer hinauf bis zu den Felsen der Schlucht führt.
Ich blinzle überrascht.
Da ist ein Pfad.
Jemand hat einen Pfad geschlagen.
Das Mädchen dreht sich ebenfalls um und schaut. Der Pfad führt immer weiter nach oben, während sich der Fluss unten sein Bett gräbt und immer tiefer und schneller wird, bis Stromschnellen ihn durchziehen.
Jemand hat einen Pfad geschlagen.
»Das muss der Weg zu der anderen Siedlung sein«, sage ich. »Ganz bestimmt ist er das.«
Da hören wir in der Ferne Hufschläge. Gedämpft und trotzdem unverkennbar.
Ehe ich ein Wort sage, sind wir beide schon aufgestanden und losgerannt. Wir entfernen uns immer weiter vom Fluss, er verläuft nun direkt unter uns, aber am gegenüberliegenden Ufer sind die Berge sogar noch höher. Auf unserer Seite erstrecktsich ein dichter Wald die Klippen entlang. Der Pfad ist zweifellos angelegt worden, damit man von dem Hügelrücken zum Fluss hinuntergelangt.
Er ist breit genug für Pferde, mehr als breit genug; wohl an die fünf oder sechs Pferde haben hier Platz.
Eigentlich ist es gar kein Pfad. Es ist ein richtiger Weg.
Wir rennen weiter, folgen jeder Biegung, jeder Kehre, vorneweg sie, dann ich und zuletzt Manchee.
Bis ich sie fast über den Haufen renne.
»Was soll das?« Ich packe sie an den Armen, damit wir nicht abstürzen, und versuche, sie nicht versehentlich mit dem Messer zu erstechen.
Dann sehe ich, was sie gesehen hat.
Eine Brücke, noch ziemlich weit weg. Sie überspannt den Fluss und ist etwa dreißig, vierzig Meter über uns. Der Weg oder Pfad oder was auch immer führt direkt zu ihr, weiter oben befindet sich nur unwegsames Felsgestein und dichter Wald. Es gibt also keinen anderen Fluchtweg außer den über die Brücke.
Eine Idee drängt sich mir auf, ganz unausgegoren noch.
Die Hufschläge sind jetzt schon etwas lauter. Ich blicke zurück und sehe Staubwolken, wo der Bürgermeister und seine Männer uns nachreiten.
»Komm mit!« Ich überhole das Mädchen und renne Richtung Brücke. Wir hetzen weiter, wirbeln unsere eigenen Staubwolken auf. Manchee hat die Ohren flach angelegt und macht Riesensätze.
Dann sind wir da, und die Brücke ist weit mehr als nur ein schmaler Steg, fast zwei Meter breit. Trotzdem besteht sie überwiegend aus Seilen, die man an auf beiden Seiten an Holzpfählenbefestigt hat, die in den Hang gehämmert wurden. Über die Seile wurden Holzbretter in einer Reihe gelegt.
Prüfend setze ich einen Fuß darauf, aber die Konstruktion ist so fest, dass sie kein bisschen wackelt. Mich, das Mädchen und einen Hund hält sie locker aus.
Ebenso Männer auf Pferden.
Wer immer sie gebaut hat, wollte, dass sie lange hält.
Ich spähe zum Fluss hinunter. Noch mehr Staub, noch mehr Pferdetrappeln, dazu das Flüstern im Lärm der Verfolger. Fast meine ich, junger Todd zu hören, aber da muss ich mich täuschen; Aaron ist zu Fuß unterwegs, er kann unmöglich mit den Reitern Schritt halten.
Eines steht fest: Die Brücke ist meilenweit die einzige Möglichkeit, den Fluss zu überqueren.
Vielleicht kriegen wir ja noch eine weitere Portion Glück ab.
»Lass uns hinübergehen«, sage ich entschlossen.
Wir gehen über die Brücke und nirgendwo ist auch nur ein Spalt zwischen den Brettern, so hervorragend ist sie gebaut. Wir könnten ebenso gut noch festen Boden unter den Füßen haben. Auf der anderen Seite bleibt sie stehen und dreht sich erwartungsvoll zu
Weitere Kostenlose Bücher