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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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›Ölzeug‹?«, fragt Viola, als wir uns niedersetzen und sich jeder an einen Baumstamm lehnt.
    »Einen Regenmantel«, sage ich und durchwühle meinen Rucksack. Keine Spur davon. Na großartig. »Und was habe ich gesagt, von wegen ›zu nahe lauschen‹?«
    Ehrlich gesagt, ich bin immer noch ganz ruhig innendrin, obwohl ich das vielleicht gar nicht sein sollte. Das Hier klingt immer noch nach, auch wenn ich es nicht mehr hören kann, auch wenn wir schon meilenweit weg sind. Ich ertappe mich dabei, wie ich es vor mich hin summe. Obwohl ich die Melodiegar nicht kenne, versuche ich die wechselseitige Verbundenheit wieder aufleben zu lassen, das Gefühl, man könne jemandem einfach sagen, dass man hier ist.
    Ich schaue zu Viola hinüber. Sie hat Obst aus ihrer Tasche geholt.
    Ich muss an das Buch meiner Mutter denken, das in meinem Rucksack liegt.
    Geschichten aus Stimmen, denke ich.
    Könnte ich es ertragen, die Stimme meiner Mutter zu hören?
    Viola zerknüllt die Trockenobsttüte, die sie gerade leer gegessen hat. »Das war die letzte.«
    »Ich habe noch ein bisschen Käse«, sage ich, »und ein wenig getrocknetes Fleisch. Aber wir müssen unterwegs Proviant beschaffen.«
    »Du meinst ›stehlen‹?«, fragt sie und zieht die Augenbrauen hoch.
    »Ich meine ›jagen‹«, antworte ich. »Aber wenn’s sein muss, dann stehlen wir auch. Hier gibt es wilde Früchte, und ich kenne einige Wurzeln, die wir essen können, wenn wir sie vorher kochen.«
    »Hm«, sagt Viola stirnrunzelnd. »In einem Raumschiff gibt es nicht viele Gelegenheiten zum Jagen.«
    »Ich kann’s dir beibringen.«
    »Okay«, sagt sie und versucht fröhlich zu wirken. »Braucht man dazu nicht ein Gewehr?«
    »Nicht wenn man ein guter Jäger ist. Hasen kann man ganz einfach mit Schlingen fangen, Fische mit Schnüren. Man kann auch Eichhörnchen mit dem Messer fangen, aber an denen ist nicht viel Fleisch dran.«
    »Pferd, Todd«, bellt Manchee leise.
    Ich lache, mir kommt es vor, als lachte ich überhaupt zum ersten Mal. Auch Viola lacht. »Wir jagen keine Pferde, Manchee.« Ich strecke die Hand nach ihm aus, will ihn kraulen. »Dummer Hund.«
    »Pferd«, bellt er wieder. Er steht auf und späht in die Richtung, aus der wir gekommen sind.
    Da vergeht uns das Lachen.

23
    Ein Messer ist nur so gut wie
derjenige, der es führt
    Auf der Straße sind Hufschläge zu hören, weit entfernt noch, aber sie kommen schnell näher.
    »Vielleicht jemand aus Brockley Hills?«, sagt Viola und in ihrer Frage mischen sich Hoffnung und Zweifel.
    »Brockley Falls«, verbessere ich und stehe auf. »Wir müssen uns verstecken.«
    Eilig packen wir unsere Sachen zusammen. Zum Rasten haben wir vorhin in einem schmalen Baumstreifen zwischen Fluss und Straße Schutz gesucht. Die Straße zu überqueren wagen wir nicht, und hinter uns liegt der Fluss, daher entpuppt sich ein umgestürzter Baumstamm als einzig mögliches Versteck. Wir kriechen hinter den Stamm, ich halte Manchee zwischen den Knien fest, überall rinnt der Regen herab.
    Ich hole mein Messer hervor.
    Die Hufschläge kommen näher, schnell werden sie lauter und lauter.
    »Es ist nur ein einziges Pferd«, flüstert Viola. »Es ist nicht die Armee.«
    »Ja«, antworte ich, »aber hör doch, wie schnell es ist!«
    Tam-tata-tamm, tata-tamm . Durch die Bäume hindurch sehen wir ein Pünktchen, das immer näher kommt. Pferd und Reiter sind in vollem Galopp unterwegs, obwohl es regnet unddie Nacht hereinbricht. Niemand, der Gutes im Schilde führt, reitet so daher.
    Viola blickt zum Fluss hinter uns. »Kannst du schwimmen, Todd?«
    »Ja.«
    »Gut«, sagt sie. »Ich kann es nämlich nicht.« Tam-tata-tamm, tata-tamm .
    Der Lärm des Reiters fängt an zu summen, aber im Moment wird er von den galoppierenden Hufen übertönt. »Pferd«, sagt Manchee zwischen meinen Knien.
    Jetzt ist es da. Lärmschleier zwischen den einzelnen Hufschlägen. Wortfetzen, die ich aufschnappe. Los und dunkel und dumm und so fort.
    Ich fasse das Messer fester. Viola sagt keinen Ton mehr. Tam-tata-tamm, tata-tamm ...
    Schneller und Sonnenuntergang und Schuss und Was auch immer.
    Er nähert sich unaufhaltsam, nimmt eine hundert Meter entfernte kleine Biegung, die wir auch genommen haben, er beugt sich nach vorn.
    Tam-tata ...
    Ich lasse das Messer in meiner Hand kreisen, denn ...
    Alle erschossen und ein niedliches Ding und dunkel hier .
    Tam-TATA ...
    Das kommt mir doch bekannt vor ...
    TAM-TATA-TAMM, TATA-TAMM ...
    Er kommt näher und näher, bis er

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