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Die Flucht

Titel: Die Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Ness
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beinahe ...
    Und dann ...
    Todd Hewitt? Die Worte dringen klar und schneidenddurch den Regen, wie auch das Hufgetrappel und das Rauschen des Flusses.
    Viola stößt einen unterdrückten Schrei aus.
    Und ich sehe, wen wir vor uns haben.
    »Junior«, bellt Manchee.
    Es ist Prentiss junior.
    Wir ducken uns noch tiefer hinter den Baumstamm, aber es ist sinnlos, denn wir sehen schon, wie er ungestüm die Zügel herumreißt und sein Pferd zum Stehen bringt, sodass es sich aufbäumt und ihn beinahe abwirft.
    Aber nur beinahe.
    Und es bäumt sich auch nicht hoch genug, dass er die Flinte fallen lässt, die er unter den Arm geklemmt hat.
    Verdammter TODD HEWITT! , brüllt sein Lärm.
    Ich höre, wie Viola sagt: »Oh, Scheiße«, und ich weiß genau, was sie meint.
    »HOOO-HEE!« Prentiss junior ist dicht vor uns, wir können das Grinsen auf seinem Gesicht sehen und die Erregung in seiner Stimme hören. »Du bist mitten auf der Straße, statt dich heimlich durchs Gebüsch zu schlagen!?«
    Viola und ich sehen einander an. Was hätten wir denn anderes tun sollen?
    »Ich habe deinen Lärm fast dein ganzes, blödes Leben lang gehört, Junge!« Er drängt das Pferd mal dahin, mal dorthin, versucht herauszufinden, wo genau wir uns verstecken. »Du denkst wohl, ich höre nichts, nur weil du dich versteckst?«
    Freude schwingt in seinem Lärm mit. Aufrichtige Freude, so als könnte er sein Glück selbst kaum fassen.
    »Warte mal ...« Wir hören, wie er sein Pferd von der Straße weg ins Gehölz lenkt. »Was ist das neben dir, dieses Nichts?«
    Er sagt es in einem so widerlichen Ton, dass Viola zusammenzuckt. Ich habe immer noch das Messer in der Hand, aber er sitzt auf einem Pferd, und wir wissen, dass er ein Gewehr hat.
    »Das stimmt, verdammt noch mal, genau, ich habe ein Gewehr, Kleiner.« Er sucht uns nicht mehr, er kommt geradewegs auf uns zu, treibt sein Pferd über Stock und Stein. »Und ich habe noch ein ganz anderes Gewehr, ein ganz besonderes, extra für deine kleine Freundin, Todd.«
    Ich schaue zu Viola hinüber. Ich weiß, sie hört jetzt seinen Lärm, sieht die Bilder, die er ausschwitzt. Ich weiß es, denn ihre Miene versteinert. Ich stoße gegen ihren Arm und schaue nach rechts, die einzige Richtung, in die wir fliehen können.
    »Oh ja, bitte, lauf weg, Kleiner«, ruft Prentiss junior. »Gib mir einen Grund, dir wehzutun.«
    Jetzt ist das Pferd so nahe, dass wir seinen Lärm hören können, es ist unruhig und überreizt.
    Tiefer können wir uns nicht mehr ducken.
    Er ist jetzt beinahe über uns.
    Ich umklammere das Messer und drücke Violas Hand einmal fest, der Händedruck soll uns Glück bringen.
    Jetzt oder nie.
    Und dann ...
    »Jetzt!«, schreie ich.
    Wir springen auf, ein Gewehrschuss zerschneidet die Luft, die Äste über unseren Köpfen splittern, aber wir rennen auf und davon.
    »Ihnen nach!«, schreit Prentiss junior und meint damit sein Pferd.
    In zwei Sätzen wendet er das Tier und treibt es zurück aufdie Straße, während wir rennen und rennen. Der schmale Streifen zwischen Straße und Fluss wird nicht breiter, jeder kann jeden sehen. Äste peitschen uns, Pfützenwasser spritzt hoch, unsere Füße rutschen, und er prescht die Straße entlang, lässt uns keinen Schritt Vorsprung.
    Wir können ihm nicht entkommen, keine Chance.
    Aber wir versuchen es trotzdem, springen im Zickzack über gefallene Baumstämme, kämpfen uns durch Gestrüpp. Manchee, der sich an unsere Fersen geheftet hat, keucht und bellt, der Regen prasselt auf uns nieder, die Straße rückt immer näher, dann macht sie eine scharfe Biegung hin zum Fluss. Und uns bleibt nichts anderes übrig, als direkt vor Prentiss junior die Straße zu überqueren, um in den Wald auf der anderen Straßenseite zu gelangen. Ich sehe, wie Viola mit rudernden Armen auf die Straße rennt und Prentiss junior um die Kurve kommt. Er schwingt etwas in seinen Händen, wir hechten auf die andere Straßenseite, aber das Pferd ist schon über uns, und plötzlich spüre ich, wie etwas meine Beine umklammert, sie so fest und stark gegeneinanderpresst, dass ich der Länge nach hinfalle.
    »Aaah!«
    Mit dem Gesicht voran lande ich in Schlamm und Laub, der Rucksack rutscht mir über den Kopf, es reißt mir fast die Arme aus, als er in hohem Bogen wegfliegt. Viola sieht mich stürzen, sie hat es fast über die Straße geschafft, aber dann merke ich, wie Schlamm aufspritzt an der Stelle, in die sie ihre Füße bohrt, um innezuhalten, und ich schreie: »Nein! Lauf! Lauf!«

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