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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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Verbrecher – oder Verdächtige – dazu zu bringen, die Wahrheit zu sagen. Oder verfeindete Parteien Frieden schließen zu lassen.«
    »Gegen ihren freien Willen.«
    »Wenn jemand auf diplomatischem Weg dazu gebracht wird, ist das ja auch immer gaaanz freiwillig! Das mag dann zwar ohne Magie sein, geschieht dafür zumeist aber durch eine Art von Beeinflussung, die man gemeinhin als Erpressung bezeichnen könnte. Ist das wirklich besser?«
    Einen Moment lang schien er über meine Worte nachzudenken. Dann schüttelte er den Kopf. »Niemand sollte zu etwas gezwungen werden, das er nicht möchte.«
    Ich schnaubte. »Was ja heutzutage auch nie passiert. Sanktionen, Gewaltandrohung, Konsequenzen. Trotzdem können die Menschen tun, was sie möchten, wirst du mir vermutlich sagen – nur dass sie das nicht machen, weil sie die Folgen ihres freien Willens fürchten müssen. Erzähl mir nicht, dass das auch nur einen Deut besser ist als ein Fluch! Magie ist eine neutrale Kraft, die erst durch den, der sie einsetzt, gut oder böse wird. Nimm meine Mutter. Sie nutzte ihre Kraft, um Krankheiten zu heilen und Menschen zu helfen. Ihre Magie half besser gegen Depressionen als jedes Psychopharmakon. Und was hat ihr das eingebracht?« Ich holte einmal tief Luft und schluckte meine Wut herunter. Ruhiger sagte ich: »Es geht doch in Wahrheit gar nicht darum, ob Magie gut oder böse ist, sondern nur darum, eine Kraft unter Kontrolle zu halten, die euch Angst macht.«
    »Der, der sie einsetzt, macht sie also zu dem, was sie ist? Was sagt das über dich aus, Miss Ausschlag?«
    Er hatte kein Wort verstanden. »Dass ich nur ein Teenager bin, der sich nicht immer unter Kontrolle hat. Ein Mensch, der irgendwie versucht, nicht aufzufallen und sein Leben und seinen Verstand beisammenzuhalten in einer Welt, die mir alles genommen hat?! Eine Welt, vor der ich um jeden Preis verbergen muss, was ich bin.«
    »Deine Magie macht dich unberechenbar.«
    »Blödsinn! Ich weiß sehr wohl, wie weit ich gehen kann! Ein Ausschlag ist wohl kaum schlimmer, als stundenlang in eine dunkle Putzkammer eingesperrt zu sein. Und wer weiß«, fügte ich giftig hinzu. »Vielleicht wäre ich ja ausgeglichener, wenn meine Mutter bei mir wäre und mich den vernünftigen Einsatz und die Regeln im Umgang mit meiner Magie lehren könnte. Diese Chance hat mir ein Trupp deiner Leute genommen, als sie in unser Haus eindrangen, meinen Vater erschossen und meine Mutter mitnahmen. Ich weiß bis heute nicht mit Sicherheit, was sie mit ihr gemacht haben. Und diese Ungewissheit zerfrisst mich.«
    Der letzte Satz war mehr, als ich sagen, als ich eingestehen wollte. Mit den letzten Worten kippte meine Stimme und ich wusste, dass ich nicht mehr weiterreden konnte, wenn ich nicht riskieren wollte, in Tränen auszubrechen. Skyler verstand ohnehin nicht, dass Magie nicht gefährlicher war als etwa das Talent, Menschen mit schönen Worten zu beeinflussen, oder die Benutzung von Schusswaffen. In wie vielen Ländern auf dieser Welt war der Besitz von Waffen legal? Menschen konnten einfach in einen Laden marschieren, sich eine Pistole kaufen und den Nächstbesten damit abknallen. Dasselbe konnte ein Zauberer mit einem Blitz oder einem Feuerball bewirken. Wo war da der Unterschied? Beides konnte ich nur verhindern, indem ich den Menschen von klein auf ein gewisses Verständnis für das mit auf den Weg gab, was richtig oder falsch war.
    Skyler konnte oder wollte das nicht sehen. Ein wenig verstand ich ihn sogar. Genauso wie mich hatten auch ihn die Umstände geprägt. Wären seine Mutter und seine Schwester einer Pistolenkugel zum Opfer gefallen, statt einem magischen Angriff, würde er heute gegen den Besitz von Schusswaffen kämpfen.
    So kämpfte er gegen Magie – und gegen mich.
    Ich ließ mich auf den Schreibtischstuhl sinken und sagte nichts mehr. Es gab ohnehin nichts, womit ich ihn überzeugen konnte, dass er eine falsche Strategie verfolgte. Um nicht länger mit der Ablehnung und der Verachtung konfrontiert zu sein, die er mit jedem Blick aussandte, ließ ich meine Augen durch den Raum wandern.
    »Du vermisst deine Mutter sehr.«
    Er hätte kaum etwas sagen können, das mich mehr überraschte.
    »Du deine nicht?«
    »Doch. Natürlich.«
    Ich schluckte den Kloß herunter, der sich in meinem Hals festgesetzt hatte, und zwang mich, die nächsten Worte auszusprechen. Eine Frage, deren Antwort ich mehr fürchtete als alles andere auf der Welt. »Weißt du, was sie mit meiner Mutter gemacht

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