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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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haben?«
    »Man hat ihr ihre Magie genommen.«
    Man. Nicht: meine Leute. Oder: wir. Man. Als wäre die Magiepolizei, für die er arbeitete, eine gesichtslose Masse, mit deren Tun er nichts zu schaffen haben wollte.
    »Du meinst, sie haben ihr Gehirn in ein Stück gekochtes Gemüse verwandelt.«
    »Hör auf, dich zu quälen.«
    Ich war nicht diejenige, die mich quälte. Wenn überhaupt, waren es Skyler und seine Leute. Obwohl mir die Worte schon auf der Zunge lagen, sprach ich sie nicht aus. Stattdessen schüttelte ich den Kopf. »Es wäre besser, sie wäre nicht mehr am Leben«, flüsterte ich. Die Vorstellung von Mom, wie sie in einer der Besserungsanstalten des Ministeriums saß, unfähig, ihre Gedanken und Körperfunktionen zu kontrollieren, stumm vor sich hin vegetierend und auf die Gnade des Todes wartend, war schlimmer als alles andere. Mom war eine kluge, lebenslustige Frau gewesen, die so ein Dasein weder verdient noch gewollt hätte.
    Skyler ließ die Hand sinken, in der er zwei Kerzen hielt. »Wünschst du dir das für sie? Ihren Tod?« Zu meinem Erstaunen klang es nicht wie eine Anschuldigung. Nur wie eine einfache Frage.
    »Unter diesen Umständen?« Ich schluckte schwer. »Ja.«
    Ein sekundenlanges Schweigen breitete sich zwischen uns aus, dann sagte er: »Sie hat ihren Frieden gefunden.«
    Woher weißt du das? , wollte ich ihn fragen. Doch das war überflüssig. Natürlich wusste er es. Er kannte meine Akte und vermutlich hatte er sich auch über meine Familie erkundigt, bevor er nach Holbrook Hill gekommen war. Er sagte die Wahrheit. Ich sah es an seinen Augen, an der Art, wie er die Mundwinkel gequält verzog, und daran, dass er – zum ersten Mal, seit er die Wahrheit über mich herausgefunden hatte – meinem Blick nicht auswich.
    Mom war tot.
    Ich hätte traurig sein sollen. Oder wütend. Vielleicht auch beides. Doch alles, was ich in diesem Moment empfand, war grenzenlose Erleichterung. Endlich über ihr Schicksal Bescheid zu wissen, zu wissen, dass das Leiden für sie ein Ende hatte, war mehr, als ich mir erhofft hatte. Wenn ich diese Welt verließ, konnte ich es in der Gewissheit tun, niemanden zurückzulassen, der meine Hilfe brauchte.
    Was nicht hieß, dass ich deshalb bereit war, kampflos aufzugeben.
    »Wie?«, flüsterte ich, nicht in der Lage, meine Frage vollständig zu formulieren.
    Einen Moment dachte ich schon, er würde mir nicht antworten. Sein Blick war bereits abgewandt, seine Aufmerksamkeit gehörte den Kerzen, die er auf dem Boden zu einem kleinen Kreis formierte. »Eine Infektion«, sagte er schließlich, ohne aufzusehen. »Gleich nach dem … Eingriff.«
    Es war sinnlos, ihn danach zu fragen, wie dieser Eingriff nun genau ausgesehen hatte. Das Wort selbst war ihm schon kaum über die Lippen gekommen, ganz sicher würde er nicht mehr darüber verraten. Es war auch nicht wichtig. Wenn ich Pech hatte, würde ich es ohnehin früher herausfinden, als mir lieb war.
    »Danke.«
    Jetzt sah er doch noch einmal auf. »Wofür?«
    »Dafür, dass du mir Gewissheit gegeben hast.«
    Er nickte nur, dann machte er sich wieder an seinen Kerzen zu schaffen. Sobald er sie aufgestellt hatte, öffnete er die Holzschatulle. Der Deckel klappte in meine Richtung auf, sodass ich nicht sehen konnte, was sich darin verbarg. Als er jedoch eine kleine Räucherschale herausholte und sie im Zentrum des Kerzenkreises platzierte, war ich mir ziemlich sicher, dass es sich dabei um eine Art Ausrüstung für Laienzauberer handelte.
    »Wie soll das funktionieren?« Nur Menschen, denen die Magie im Blut lag, konnten Zauberei ausüben. Jeder Nichtmagische benötigte einen Mentor, der ihn dazu in die Lage versetzte. Abgesehen davon, dass der Preis dafür – in Form der eigenen Seele – zu hoch war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass jemand, der Magie und all ihre Wesen so sehr verabscheute wie Skyler, sich mit einem Dämon einlassen würde. Andererseits hatte er Arabas’ Namen gekannt.
    »Ich habe keinen Pakt geschlossen, falls du das meinst.« Aus einem Plastiktütchen schüttete er eine Kräutermischung in die Räucherschale, verschloss den Beutel sorgfältig wieder und legte ihn in die Schatulle zurück. Er griff in das Kästchen, nahm eine gläserne Phiole heraus und hob sie in die Luft. Eine zähe, rote Flüssigkeit leckte über die Glaswände. »Zaubererblut.«
    Das wurde ja immer besser! Nicht genug, dass sie Magie verdammten – solange sie ihnen nicht selbst nützlich war –, jetzt schröpften sie auch

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