Die Fluchweberin
im Internat.« In knappen Worten erzählte ich ihm, was ich aufgeschnappt hatte.
»In Plymouth? Wegen einer Familienangelegenheit? Ich fress meine Pinsel, wenn das stimmt.«
Er schnappte sich Max’ Laptop und ging noch einmal seine E-Mails durch. Keine zwei Minuten später klappte er den Deckel zu. »Nichts. Kein einziger Hinweis.«
Machte das Max jetzt zum Verdächtigen? »Ob ihm etwas zugestoßen ist?«
»Das werden wir herausfinden.« Er verschwand kurz im Bad, kehrte einen Moment später fluchend zurück und wandte sich dem Schrank zu. Zwei Minuten lang suchte er die darin hängenden Kleidungsstücke ab, ehe er mit einem triumphierenden »Ha!« ein kurzes, schwarzes Haar in die Höhe hielt.
Bevor ich fragen konnte, was er damit vorhatte, bedeutete Skyler mir mit einem Kopfnicken, ihm zu folgen, und kurz darauf waren wir wieder in seinem Zimmer.
Zurück in der Höhle des Löwen.
»Und jetzt?«
»Werden wir Max aufspüren«, sagte er, ohne mich anzusehen. Er befestigte Max’ Haar vorsichtig auf einem Stück Tesafilm, ohne den Klebstreifen dabei von der Rolle abzutrennen, und holte die Sporttasche aus dem Schrank. Er zog das Buch heraus, in dem er gestern nach den Schutzsymbolen gesucht hatte, und legte es vor dem Bett auf den Boden, gefolgt von einer mit Schnitzereien verzierten Holzschatulle von der Größe eines Schuhkartons und ein paar dicken Kerzenstumpen.
Ungläubig starrte ich auf die Sachen, die er vor sich auf dem Boden ausgebreitet hatte. »Mit Magie? Du willst ihn allen Ernstes mit Zauberei aufspüren?«
»Hast du eine bessere Idee?«, sagte er, ohne seine Aufmerksamkeit von den Dingen vor sich zu nehmen.
»Nein. Ich finde es nur erstaunlich, wie flexibel ihr Magiepolizisten mit der so verdammenswerten Zauberei umgeht.« Ich hatte es nicht aussprechen wollen, doch jetzt, da mir die Worte über die Lippen gekommen waren, brauchte ich mich auch nicht mehr zurücknehmen. »Ihr verteufelt jeden, der auch nur das kleinste bisschen Magie im Blut hat, benutzt die Zauberei aber ohne jeden Skrupel, solange sie euch von Nutzen ist. Weißt du, wie man das nennt?« Ich schoss die Antwort gleich hinterher: »Doppelmoral.«
Skyler sah auf. »Wir tun, was nötig ist, um die Magie zu bekämpfen.«
»Und dabei seid ihr nicht zimperlich, wenn es um die Wahl eurer Mittel geht. Ich wette, keiner von euch verbohrten, bornierten … keiner von euch ist während der letzten hundert Jahre je auf den Gedanken gekommen, dass Magie auch etwas Gutes sein könnte. Dabei nutzt ihr sie für eure angeblich guten Taten! Ihr lasst euch von Zauberern helfen, Menschen aufzuspüren, die nichts getan haben. Menschen, die genau so sind wie eure Zauberer.« Einmal angefangen redete ich mich mehr und mehr in Rage. »Wie schützt ihr euch vor euren eigenen Magiern? Habt ihr sie angekettet? Bestimmt sind sie mit Sendern ausgestattet und wahrscheinlich habt ihr ihnen auch gleich noch ein paar Sprengladungen um den Hals gehängt, die ihr zur Explosion bringen könnt, falls sich mal einer von ihnen aus dem Staub machen sollte. Ach was! Bestimmt explodieren die Dinger automatisch, wenn sich eure treuen Mitstreiter auch nur einen Schritt zu weit von ihrem angedachten Platz entfernen.Ihr blast ihnen die Rübe weg, und das nur, weil ihr Angst vor etwas habt, das ihr nicht versteht. Angst vor etwas, das auch Gutes bewirken kann!«
Skylers Augen funkelten. »Gutes? Dann erzähl mir doch mal, wie viel Gutes du schon mit deinen Flüchen bewirkt hast. Fangen wir doch bei Kims Ausschlag an.«
»Flüche können durchaus Gutes bewirken.« Unter anderem konnte ich mir damit Menschen wie Kim vom Hals halten. Sicher, genauer betrachtet würde jeder vernünftig denkende Mensch sagen, dass der Fluch, mit dem ich Kim davon abgehalten hatte, länger auf uns Loser loszugehen, nicht besonders freundlich war. Immerhin habe ich damit unmittelbar auf ihren Willen eingewirkt, ihr die freie Entscheidung genommen, nett zu uns zu sein, und sie dazu gezwungen. Trotzdem waren Flüche nicht von Natur aus böse. »Zunächst einmal«, fuhr ich fort, »ist allein das Wort Fluch schon viel zu negativ behaftet. Das klingt so, als wäre es ausschließlich etwas Schlimmes.«
»Ach, wie würdest du es dann nennen? Ich denke immer noch an den Ausschlag.«
Den Ausschlag, den ich im Augenblick am liebsten ihm verpassen würde. Oder Schlimmeres. »Wie wäre es mit Beeinflussung? Eine Beeinflussung der Umstände. Meine Magie könnte zum Beispiel dazu genutzt werden,
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