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Die Fluchweberin

Die Fluchweberin

Titel: Die Fluchweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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in der einen Hosentasche verschwinden, die restliche Schokolade, jetzt nur noch in das Papier gewickelt, in der anderen. Mit dreiraschen Griffen verstaute ich die Schere und die restlichen Pflaster wieder und schob den Verbandskasten zurück an seinen Platz. Schnell zog ich meine Bluse wieder zurecht und schloss die Knöpfe. Erschrocken sah ich, dass die Folie unter dem Kragen hervorblitzte, sobald ich jedoch wieder in Skylers Pullover geschlüpft war, war unter dem Rollkragen nichts mehr zu sehen. Jetzt musste ich nur noch dafür sorgen, dass er das gute Stück nicht zurückverlangte. Ich drückte die Spülung, ließ den Deckel zufallen und drehte den Wasserhahn auf. Um mir die Hände zu waschen – und um die verräterischen Schokoladenkrümel aus dem Waschbecken zu spülen.
    Nachdem ich mir die Hände abgetrocknet und noch einmal tief Luft geholt hatte, kehrte ich zu Skyler zurück. Den Sender hatte ich außer Gefecht gesetzt. Jetzt brauchte ich nur noch eine passende Gelegenheit zur Flucht.

 31 
    »Es ist so weit«, sagte Skyler. »Setz dich wieder hin und verhalte dich still.«
    Es ist nicht leicht, reglos zu verharren, wenn man in Wahrheit nichts anderes will als davonlaufen. Trotzdem schaffte ich es, einigermaßen ruhig sitzen zu bleiben, auch wenn ich dafür die Hände in meinem Schoß zu Fäusten ballen musste.
    Schwefelgeruch breitete sich in der Luft aus, als Skyler ein Streichholz anriss und damit eine Kerze nach der anderen anzündete, ehe er es in die Räucherschale mit den Kräutern und dem Zaubererblut warf. Die Mischung entzündete sich sofort. Ein dünner heller Rauchfaden kräuselte sich daraus empor, zerfaserte langsam in der Luft und löste sich auf wie Morgennebel am fortschreitenden Tag.
    Ich rechnete damit, dass Skyler irgendwelche Formeln sprechen oder einen rituellen Gesang anstimmen würde, doch statt etwas zu sagen, zog der den Grundrissplan näher zu sicher heran und griff nach der Phiole mit dem Zaubererblut. Ich versuchte einen Blick auf die Zeichen zu erhaschen, die er auf die Ränder des Papiers aufgetragen hatte, versuchte ihnen einen Sinn abzutrotzen, doch in meinen Augen war es nichts weiter als eine Mischung aus verschlungenen Linien und ineinander verwobenen Buchstaben, deren Anordnung für mich ohne Bedeutung war.
    Skyler entfernte den Korken von der Phiole, griff nach dem Streifen Tesafilm, auf den er Max’ Haar geklebt hatte, und träufelte einen Tropfen Blut darauf. Behutsam verkorkte er die Phiole wieder und stellte sie zur Seite. Dann schloss er die Augen. Den Klebstreifen mit Blut und Haarüber dem Gebäudeplan in die Höhe haltend, hielt er für einige Sekunden inne. Er atmete tief durch, als sei es wichtig, die Gerüche der Kräuter in sich aufzunehmen – was nur ein Nichtmagischer glauben konnte. Schließlich ließ er den Klebstreifen fallen. Langsam schwebte das Plastik der darunterliegenden Karte entgegen.
    Zwei Zentimeter über dem Papier stoppte es plötzlich in der Luft. Es wankte, als hätte ein Luftzug es erfasst, tänzelte mal hierhin, mal dorthin, kreiste mehrmals über einer Stelle, ehe es seinen Weg über den Grundrissplan fortsetzte und endlich auf einer Stelle am linken oberen Ende zum Liegen kam.
    Der Stuhl knarrte, als ich mich nach vorne beugte, um zu sehen, wo der Klebstreifen gelandet war. Skyler öffnete die Augen und sah mich strafend an. »Was denn?«, schnappte ich. »Das Ding ist gelandet, dein Hokuspokus ist fertig, großer Zauberer.«
    Erst jetzt richtete er seinen Blick auf die Karte vor ihm. »Ein Speicher? Was hat Max auf einem Speicher zu suchen?«
    »Lass es uns herausfinden«, sagte ich und stand auf. Nicht dass es mich wirklich interessiert hätte, doch mir war alles recht, damit ich endlich fortkam. Solange ich in diesem Zimmer festsaß und Skyler mich nicht aus den Augen ließ, tendierten meine Chancen, ihm zu entkommen, gen null. Wenn wir jedoch im Haus unterwegs waren …
    Zum zweiten Mal an diesem Abend schlichen wir aus Skylers Zimmer. Auf halbem Weg zum Treppenhaus schreckte uns das Knarren einer Tür auf. Ich erstarrte. Skyler griff nach meinem Arm und schob mich auf die Schatten zu, die sich zwischen den Nachtlichtern auf dem Gang ausbreiteten, als ich Mercy erkannte. Sie schlüpfte rückwärts aus Tys Zimmer. Als sie sich herumdrehen und gehen wollte, schlang Ty seinen Arm um ihre Taille. Schwungvoll zog er sie zu sichzurück und küsste sie. Mercy schlang die Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss, ehe sie sich

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