Die Fluchweberin
hatte mich nicht getäuscht. Statt zu Boden zu krachen, blieb die Oberkante auf halber Höhe der Tür hängen. Auf der anderen Seite hörte ich Skyler rufen, gefolgt von einem Rütteln am Türknauf und Klopfen auf Holz.
»Das bringt doch nichts, Raine!«
Ich sparte mir den Atem für eine Antwort und nutzte meine Kraft lieber dazu, noch eine Kommode vor den Schrank zu schieben, damit dieser nicht so leicht auf den Boden rutschte.
Sobald ich fertig war, machte ich kehrt und verließ unter Skylers wütenden Rufen den Dachboden. Skyler mochte festsitzen, trotzdem hatte mir die Aktion nur einen Vorsprung verschafft. Ich wusste, dass er sein Handy in der Hosentasche hatte. Damit konnte er in kürzester Zeit dafür sorgen, dass jemand auftauchte und ihn befreite. Es sei denn, er hatte hier oben keinen Empfang.
Obwohl meine Zeit knapp war, machte ich einen Umweg über mein Zimmer. Ich schnappte mir meine Jacke und den Rucksack, den ich nach meinem letzten Fluchtversuch noch nicht ausgepackt hatte, und verließ das Haus. Im Garten schleuderte ich mein Handy in die Büsche. Der Sender unter meiner Haut war schon schlimm genug, da wollte ich Skyler nicht auch noch die Möglichkeit geben, mich über GPS zu orten.
32
Als ich Holbrook Hill verließ, wurde es bereits hell.
Darum bemüht, keinem Frühaufsteher über den Weg zu laufen, der sich an mich erinnern oder mir gar Fragen stellen würde, mied ich die Wege und das Haupttor und suchte mir eine abgelegene Stelle, an der ich über die Mauer kletterte.
Kaum war ich auf der anderen Seite, schulterte ich meinen Rucksack und folgte der Straße in Richtung Tavistock. Einen Moment lang war ich versucht gewesen, mich auf dem Internatsgelände zu verstecken, meine Sorge, dass der Sender womöglich noch aufzuspüren war, solange ich mich in Skylers Nähe und damit in der Nähe eines Peilgeräts befand, hielt mich davon ab. Selbst wenn es mir gelingen sollte, ein sicheres Versteck zu finden, wäre die Sicherheit nur von kurzer Dauer. Binnen weniger Stunden würde es innerhalb des Anwesens nur so von Magiepolizisten wimmeln, die jeden Quadratzentimeter auf den Kopf stellten. Ich bezweifelte, dass ich unter ihren Augen das Gelände unbemerkt verlassen konnte.
Ich musste jetzt von hier fort.
Es wäre mir lieber gewesen, mich im Wald zu verstecken, statt der Straße in Richtung des nächsten Ortes zu folgen, da ich jedoch damit rechnete, dass Skylers Verstärkung hier mit Helikoptern und Wärmebildkameras anrückte, war das keine Option.
Mit schnellen Schritten folgte ich der Straße, hielt mich im Schatten der Bäume, wann immer sich welche boten, und duckte mich in den Schutz der Felder, sobald ich einen Wagen hörte. Obwohl ich mich immer wieder versteckenmusste, schaffte ich es in etwas mehr als zwanzig Minuten nach Tavistock.
Sobald die ersten Häuser in Sicht kamen, beschleunigte ich meinen Schritt weiter, unentschlossen, was ich nun tun sollte. Der Bahnhof hier war bereits vor Jahrzehnten stillgelegt worden und dort, wo einst Reisende auf ihre Züge gewartet hatten, genossen jetzt Touristen die Annehmlichkeiten einer zu Ferienwohnungen umgebauten Bahnhofsstation.
Ich folgte der Straße weiter in den Ort hinein. Jeder Automotor, jeder Ruf ließ mich zusammenzucken. Trotzdem fühlte ich mich hier bedeutend sicherer als auf der Landstraße inmitten freier Felder. Hier gab es genügend Häuser mit Gärten und Hinterhöfen, in denen ich mich verkriechen konnte. Zumindest, solange ich rechtzeitig bemerkte, dass sie mir auf den Fersen waren.
Im Augenblick jedoch war mir nicht daran gelegen, unterzutauchen, sondern noch mehr Abstand zwischen Holbrook Hill und mich zu bringen.
Ich folgte der Hauptverkehrsstraße bis zur Plymouth Road, an der die Busse abfuhren. Es war mir vollkommen egal, welcher Bus gerade dortstand – ich würde in den erstbesten steigen, der mich nur von hier fortbrachte.
Tatsächlich hatte ich die Qual der Wahl.
Als ich die Haltestelle erreichte, standen mehrere Busse bereit. Rasch studierte ich die Anzeigen an der Front. Ich war schon versucht, in den Bus nach Plymouth zu steigen, in der Hoffnung, meine Spuren in einer größeren Stadt besser verwischen zu können, als mir der Gedanke kam, dass sich Skyler in etwa ausrechnen konnte, zu welcher Zeit ich hier angekommen war. Damit würde es ihm nicht schwerfallen, herauszufinden, welche Busse hier gestanden hatten. Sicher würde er es ebenfalls für am wahrscheinlichsten halten, dassich auf direktem Weg
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