Die Fluchweberin
Calder stand auf und wandte sich wieder den Vorbereitungen seines Zaubers zu. Er hob eine Feinwaage aus einem anderen Karton und machte sich daran, Kräuter darauf abzuwiegen. »Ursprünglich war Kim mein Ziel. Alles wäre perfekt gewesen, wenn du nicht deinen verflixten kleinen Fluch auf ihr abgeladen hättest.«
Mir war klar, dass er nicht den Ausschlag meinte.
»Das Medaillon war so lange vor mir verborgen gewesen, dass ich die Hoffnung schon fast aufgeben wollte.«
»Dann ist der Priester gestorben und kurz darauf war der Segen weg und Sie konnten es plötzlich wieder spüren«, mutmaßte ich.
»Du bist gut informiert.«
Das war der Vorteil, wenn man mit einem Sucher zusammenarbeitete. Sofern man in meinem Fall von Zusammenarbeit sprechen konnte. Allerdings verkniff ich es mir, Calder darauf hinzuweisen, wer Skyler wirklich war. Falls er es noch nicht herausgefunden hatte, wollte ich ihm die Überraschung nicht verderben.
Sosehr ich ihn vor ein paar Stunden noch loswerden wollte, so sehr wünschte ich mir jetzt, dass Skyler hier wäre. Ich brauchte seine Hilfe. Aber wie sollte er mich finden, mitten im Nirgendwo? Wenn es ihm mittlerweile gelungen sein sollte, sich aus dem Dachboden zu befreien, war er vermutlich bereits auf halbem Weg nach Plymouth.
Wenn ich eine Chance haben wollte, musste ich zumindest versuchen, ihn auf mich aufmerksam zu machen.
Ich veränderte meine Haltung, gab vor, meinen Nacken zu massieren, und fuhr dabei mit den Fingern an der Innenseite meines Kragens entlang. Um so viel Ablenkung zu schaffen wie möglich, ließ ich auch noch den Kopf kreisen. Meine Finger streiften über den Rand des Pflasters, lösten es von meiner Haut und streiften die Folie zur Seite. Das musste genügen. Ich konnte nur hoffen, dass Skyler auch noch versuchen würde, den Sender aufzuspüren, wenn seine bisherigen Versuche ins Leere gelaufen waren.
»Ich weiß über das Medaillon Bescheid.« Jetzt kam es darauf an, Zeit zu schinden, um Skyler ausreichend Gelegenheit zu geben, hierherzukommen. »Aber ich weiß nicht, wie Sie nach Holbrook Hill gekommen sind. Oder wie Sie überhaupt so lange überleben konnten.«
Ravenwood studierte die Skala seiner Waage und schüttete noch ein wenig aus dem Tütchen in seiner Hand nach, ehe er es wieder verschloss und nach dem nächsten griff.
»Das Leben geht manchmal seltsame Wege«, sagte er.»Mein Mentor war fort. Du hast sicher von ihm gehört, nicht wahr? Sie haben ihn verjagt, doch ich fand einen anderen. Einen, der Arabas nicht sonderlich gewogen war und es geradezu darauf anlegte, ihn zu demütigen, indem er mir mehr beibrachte als Arabas selbst in all den Jahren.« Calder lachte. »Dem Hass dieses Wesens ist es zu verdanken, dass ich heute über Kenntnisse verfüge, die Arabas mir nie vermittelt hätte. Und obendrein verlängerte er meine Lebensspanne. Nicht, um mir einen Gefallen zu erweisen, sondern nur, um Arabas damit zur Weißglut zu treiben.«
»Der Pakt.«
Er nickte. »Mein Pakt mit Arabas sieht vor, dass ihm nach meinem Tod meine Seele gehört. Kein Tod – keine Seele. Ein großer Verlust für einen Dämon. Kanta… mein anderer Mentor wusste das natürlich.« Er nahm ein weiteres Kräuterpäckchen aus der Schachtel. »Als ich Lavinia plötzlich wieder spüren konnte, folgte ich ihrer Spur. Ich setzte mich ins nächste Flugzeug, doch als ich den Ort erreichte, war sie nicht länger dort. Unglücklicherweise war meine Verbindung zu ihrer Seele nach all dieser Zeit so schwach geworden, dass ich immer wieder einige Zeit verstreichen lassen musste, ehe ich sie wieder spüren konnte. Deshalb folgte ich ihrer Spur auf die althergebrachte Weise: Detektivarbeit.«
Auf diesem Weg fand er den Händler und schließlich Max, der das Amulett ersteigert hatte.
»Sobald ich wusste, wo sie war, traf ich meine Vorbereitungen. Es kostete mich ein paar Tage, diesen Platz hier zu finden, und noch einmal ein paar, um alles zusammenzubekommen, was ich zur Übertragung von Lavinias Seele benötigte. Als ich endlich so weit war, hatte der Junge das Medaillon bereits seiner Freundin geschenkt. Es war perfekt.« Calder legte die Kräuter zur Seite und sah mich an. »Ich machte mir die Erinnerungen des Jungen zu eigen,bevor ich ihn mir vom Hals schaffte und seinen Platz einnahm.«
»Vom Hals schaffen? Sie haben ihn umgebracht!«
»Tragisch, aber zu diesem Zeitpunkt nicht vermeidbar. Die beiden waren ein Paar. Niemand hätte sich darüber gewundert, wenn sie ihre Zukunft
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